Was für ein Typ bin ich? Eher Kopf-, Herz- oder Bauchmensch? Die Psychologie nennt das meine drei Intelligenzzentren oder auch Wissensquellen. Verbunden mit verschiedenen Gehirnzonen kann ich je andere Perspektiven einnehmen, anders entscheiden, anders agieren oder reagieren – je nachdem, wo und wie ich mich innerlich eher angesprochen fühle: intuitiv im Bauch, empathisch im Herz oder rational im Kopf. Alle drei Bereiche sind innere Ressourcen, mit denen ich wahrnehmen und empfinden kann. Ich kann abwägen und ausloten und schließlich eine Richtung für mich finden.
Untersuchungen zeigen, dass kaum jemand nur Kopfmensch, nur Bauch- oder nur Herzmensch ist. Ich bin auch eher der Mischtyp – und das ist auch gut so. Denn es ist von ungeheurem Wert, wenn ich aus all meinen inneren Ressourcen schöpfen kann. Mein Herz ermöglicht mir bestimmte Zugänge; Kopf und Bauch stellen mir andere Einsichten zur Verfügung.
Einer, der diesen Wert schon vor 500 Jahren erkannt hat, ist der heilige Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens. Es fasziniert mich, wie da im ausgehenden Spätmittelalter ein Mann lernt, seine inneren Regungen differenziert wahr und ernst zu nehmen. Und wie er schließlich eine Art Anleitung entwickelt für diese innere Welt, von der Menschen noch heute profitieren. Es sind keine frommen Theorien, sondern Lernerfahrungen seines eigenen Lebens, die Ignatius weitergibt.
Sein Erkenntnisweg beginnt mit einer ganz neuen Wahrnehmung. Das geschieht, während er nach einer Kriegsverletzung monatelang ans Bett gefesselt ist. Ignatius vertreibt sich die Zeit mit Lesen und Tagträumerei. Er stellt sich vor, wie er sich als stolzer Ritter siegreich durch Europa kämpft; Heldenfantasien, die ihn begeistern. Er stellt sich ebenso vor, wie er als armer Bettler für Jesus Christus durch Europa pilgert; auch das berührt ihn, aber anders. Ignatius registriert, wie unterschiedlich die Wirkung dieser Tagträumerei auf ihn vor allem im Nachhinein ist. Ignatius, der Ritter, ist bei aller Begeisterung später müde und leer, wie ausgetrocknet. Ignatius, der Pilger, fühlt sich nachher wach und lebendig.
So beginnt Ignatius mehr auf seine inneren Regungen zu achten. Sie werden ihm Erfahrungs- und Begegnungsraum mit sich selbst – und mit Gott. Er schreibt sich auf und systematisiert, was sich ihm zeigt. Daraus entwickelt er schließlich eine Kategorie, die es ihm erlaubt, die richtige Richtung für sein persönliches Leben zu erkennen. Die entscheidende Frage lautet: Löst das, was ich denke, fühle und erspüre langfristig eher "Trost" oder "Trostlosigkeit" aus? Das meint: Führt mich das, was ich jetzt spontan am liebsten tun oder lassen würde, dauerhaft in Richtung mehr Freude, Lebendigkeit, Klarheit, Schaffenskraft, inneren Frieden und Annahme meiner Selbst? Oder mehr zu innerer Unruhe, Mut- und Hoffnungslosigkeit, Überforderung, Angst oder Selbstentfremdung?
Jeder Mensch vermutlich kennt beides: die Trostlosigkeit und den Trost. Ignatius erkennt in der Erfahrung des Trostes die positive Grundausrichtung Gottes für sein Leben, das, was für ihn richtig ist – und was richtig bleibt, auch wenn Schritte auf dem Weg schwierig oder schmerzlich werden. Man braucht nicht religiös zu sein, um von diesen Einsichten zu profitieren. Auch für mich aber ist es der Mehrwert: Daran zu glauben, dass Gott selbst es ist, der sich mir in meinem Innersten zeigt und mit mir nach Wegen des Trostes sucht – mein Leben lang und noch bis über den Tod hinaus.