Ein ganzes Familienhaus ausräumen mit allem drin, aus weiß Gott wie vielen Jahrzehnten. Das hat meine Freundin Ella machen müssen.
Ihr Vater ist vor ein paar Monaten gestorben und ihre Mutter ist schon seit Jahren tot. Jetzt steht Ella zusammen mit ihrem Bruder Martin in ihrem Elternhaus und ganze Berge türmen sich vor den beiden auf. Alte Möbel und Teppiche, Kistenweise Kleidung, Kellergerümpel und Geschirr.
Ella schreibt mir eine Nachricht aufs Handy: "Heute war ich wieder den ganzen Tag mit Martin im Haus. Martin sortiert und schmeißt weg. Ich komm kaum hinterher." Da verstehe ich meine Freundin. Denn beim Ausräumen sind die einen richtig schnell und andere brauchen ganz viel Zeit. Ella braucht eher Zeit und auf jeden Fall ordentlich Kraft. Wie oft sitzt sie zwischen den Kisten und bleibt an einer Postkarte oder an einer Suppenschüssel hängen. Dann weint sie oder sie lächelt und dann sind ihr ihre verstorbenen Eltern wieder ganz nah.
Christina Erdmann ist so etwas wie eine "Ausräum-Beraterin". Sie hat ein Buch darüber geschrieben, wie man die Auflösung des Elternhauses gut überstehen kann. Und sie gibt dabei ganz praktische Tipps. Zum Beispiel, dass man erstmal alles fotografieren soll, bevor man mit der Arbeit loslegt. Wenn man eine gute Kindheit im Elternhaus hatte, sind die Fotos eine schöne Erinnerung. Und wenn die Zeit schwierig war, dann können die Bilder helfen, dass man gut Abschied nehmen kann. Außerdem rät Christina Erdmann dazu, möglichst systematisch vorzugehen, Zimmer für Zimmer, und sich auf jeden Fall Hilfe zu holen. Für Ella und Martin ist es wirklich Gold wert, wenn ein Kollege mit seinem Anhänger kommt und ein paar Stunden Zeit mitbringt und einfach mithilft. Und meiner Freundin tut es auch gut, wenn sie viel darüber sprechen kann, was sie wieder alles im Haus gefunden hat.
Ich habe Respekt vor allen, die das gerade machen müssen. Die erst einen lieben Menschen verloren haben und jetzt in der Arbeit des Ausräumens fast untergehen.
Und für die, die mit so was gerade nicht belastet sind, habe ich auch noch einen klugen Tipp aus dem Buch der Ausräum-Beraterin. Denn das gibt es ja auch auf andere Art im Leben, dass man sich von einer Sache, einem Menschen oder auch einem Lebensabschnitt verabschieden muss. Ich denke da an frischgebackene Rentnerinnen, die noch sehr an ihrem früheren Alltag hängen und immer wieder an ihre alte Arbeit zurückdenken. Oder ich denke an Eltern, deren Kinder zuhause ausgezogen sind. Es geht ja nicht nur um die Dinge, die man anfassen kann. Es sind ja auch die alten Erfahrungen, die innerlich ver-räumt oder gut versorgt werden müssen, damit wieder Platz ist für Neues.
Christina Erdmann rät zu drei Schritten. Und diese drei Schritte stehen genau genommen in guter christlicher Tradition. Sie lauten: sortieren, wertschätzen, loslassen.
Wenn ich es schaffe, das, was gewesen ist, nicht einfach irgendwie wegzuschieben, sondern zu sortieren, dann habe ich viel geschafft. Denn ich kann dann das, was war, in seinem Wert noch einmal wahrnehmen und es so gut versorgen. Vor allem in meinem Inneren. Und ich kann dann hoffentlich auch loslassen.