Der Fasching war gefeiert, die Luftballons zerplatzt und alle Luftschlangen zusammengefegt. Die Schokolade wurde weggepackt. Dann kommt der Aschermittwoch und um 10 Uhr beginnt der Schulgottesdienst. Der Pastor wirft die bunte Faschingsdeko in eine Feuerschale und verkündet: "Die Luftschlangen sind ein Zeichen für den Fasching. Heute verbrennen wir sie, denn es beginnt eine neue Zeit, die Fastenzeit." Er hält ein Feuerzeug an die Luftschlangen. Sie gehen nicht richtig in Flammen auf, denn sie haben ein deutsches Brandschutz-Zertifikat, aber sie glimmen vor sich hin und werden langsam zu Asche. Es ist ja Aschermittwoch, und die graue Asche ist das Symbol des Tages.
Was könnten die Kinder aus dieser Lektion lernen? Zuerst ist Fasching, da darf man lustig sein und leckere Dinge essen. Dann kommt ein kirchlicher Feiertag, danach muss man nachdenklich werden und wochenlang auf das verzichten, was man gerne hat. Die Kirche ist also der große Spaßverderber.
Das ist nicht die Message, die ich verbreiten will. Weder bei Kindern noch bei Erwachsenen. Fasten und Verzichten kann richtig gut tun, bei der Neuausrichtung helfen und beim Anderswerden. Es ist sinnvoll und wichtig, von Zeit zu Zeit die eigenen Abhängigkeiten zu hinterfragen und von seinen kleinen Süchten und Gewohnheiten unabhängiger zu werden: Zigaretten, Fertiggerichte, Internetzeit, Handydaddeln, Autofahrten. Brauche ich all das so oft und so viel? Tut mir das gut oder hat es mich im Griff? Lenkt es mich ab von mir selbst, von anderen oder von Gott?
Verzichten ist ein guter Ansatz, es schafft Platz für Veränderungen, die mir gut tun. In der Praxis ist das nicht immer einfach umzusetzen. Ein Freund von mir verzichtet gerade auf Kaffee. Das ist nicht leicht für ihn und er erzählt das auch jedem. Aber für alle anderen ist es auch nicht leicht. Der Koffein-Entzug macht ihn recht unleidlich. – Jesus hat einmal sinngemäß gesagt: Wenn du fastest, dann lass es die anderen nicht merken. (vgl. Mt 6,16-18)
Es gibt in der Fastenzeit gerade so viele Stimmen für das Weniger, ich möchte mich jetzt mal für das Mehr stark machen. Auch wenn die etwas mehr als sechs Wochen vor Ostern Fastenzeit heißen, es geht um viel mehr als um das Fasten und Verzichten. Es gibt so viele schöne positive Dinge, die ich in der Fastenzeit mehr machen könnte. Für mehr Überraschungen bei mir selbst sorgen, für mehr Zusammenhalt untereinander, für mehr Gott im Leben. Wenn mir das wichtig ist, wird automatisch anderes weniger wichtig werden. Was könnte zu so einem "Mehr davon" gehören?
Mehr darauf vertrauen, dass ich selbst wertvoll und wichtig bin. Mehr Zeit mit Menschen verbringen, die mir etwas bedeuten. Mehr nach Gottes Plan für mich fragen.
Mehr das Unscheinbare wahrnehmen, mehr Gönnen können, mehr Fehler machen. Mehr die Komfortzone verlassen, mehr riskieren, mehr Neues ausprobieren. Mehr verrücktes Lachen, mehr schiefe Lieder, mehr barfuß im Regen. Mehr "Danke, das war schön." Mehr "Ich hab dich lieb." Mehr "Du bist mir wichtig." Und auf jeden Fall mehr Schokolade!