Ein Dominikanerpater hat’s erfunden: das olympische Motto "höher, schneller, weiter". Mit dieser Kurzformel spornt Henri Didon auf einem Schulsportfest im März 1891 seine Schüler an. Sie sollen im Wettkampf ihr Bestes geben – und lernen, sich über ihre persönliche Bestleistung aus ganzem Herzen zu freuen; die Platzierung sei zweitrangig. Pierre de Coubertin, Initiator der Olympischen Spiele der Neuzeit, ist damals dabei. Ihn beeindrucken Didons Ausführungen. Drei Jahre später schlägt er bei der Gründung des Internationalen Olympischen Komitees Didons Kurzformel mit Erfolg als Leitspruch für Olympia vor.
"Höher, schneller, weiter" – nicht als Zauberformel für gedopte Höchstleistungen, sondern als Grundüberlegung dazu, was wirklich zählt. Ausdrücklich will das olympische Motto nicht nur für Sportlerinnen und Sportler, sondern für alle Menschen gelten – letztlich für eine bessere, eine friedlichere Welt. Die olympischen und paralympischen Spiele in Paris in diesem Sommer haben gleichermaßen begeisternd endlich mal wieder etwas von diesem Geist versprüht.
Höher, schneller, weiter, besser, friedlicher... Was ist ein "Mehr" im Leben, wofür es lohnt, Jahre seines Lebens einzusetzen? Noch ein Ordensmann hat dazu Inspirierendes zu sagen: Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens.
Seine Kurzformel lautet: Tiefer, freier, authentischer… tiefer lieben, freier glauben, authentischer leben. Nach Ignatius lohnt es mehr als alles andere, dafür ein Leben lang auf dem Weg zu bleiben. Auf diesem Weg hat für ihn das kleine Wort "mehr" – lateinisch "magis" – eine besondere Bedeutung. Es ist Ignatius‘ ganz eigene Steigerungsform, sozusagen seine "magische" Formel, die er oft verwendet: mehr Freude, mehr innerer Friede, mehr Zuversicht. Oder: Sich gegenseitig mehr helfen, mehr mit Gott leben, Gott und den Menschen mehr dienen. Das "Magis" will wie ein Wegweiser sein: zu mehr Lebendigkeit, zu vertrauensvollerer Hoffnung, zu erfüllterem Leben.
Der buchstäblich göttliche Grund für dieses "Mehr" ist der "größere Gott". Für Ignatius ist Gott nicht einfach groß, wie auch Menschen, Dinge oder Ereignisse groß sein können. So bliebe Gott in unseren Maßstäben hängen. Gott ist größer, als wir es jemals ahnen oder denken könnten. Dieser größere Gott, der mich geschaffen hat, der mich vorbehaltlos liebt und der mit mir durch Dick und Dünn geht, ist von ganz eigener Qualität. Und so meint auch das ignatianische "Magis" nicht eine quantitative Steigerung, sondern eine andere Qualität: Die Intensität meiner Beziehungen möge wachsen, die Tiefe meiner Wahrnehmung oder mein Ja zum Leben – auch in schweren Zeiten.
Ignatius möchte mit seinem "Magis" zu einem "Mehr an Gutem" verlocken, wo immer es geht. Eine allgemeingültige Regel gibt es dafür nicht. Das Leben geht weiter, Fragen stellen sich neu und neue, aktuelle Antworten werden gebraucht: für mich persönlich oder für uns gemeinsam. Was ist jetzt hilfreicher oder notwendiger? Manchmal stellen wir fest, dass das Mehr im Weniger liegt. Im Blick auf die aktuelle politische Lage zum Beispiel: weniger Populismus, weniger Lüge, weniger Hass, weniger Vergeltungslogik.
Zur ignatianischen Spiritualität gehört die Einsicht, dass die Früchte des Lebens nicht einfach vom Himmel fallen. Ich muss mich dafür entscheiden und mich dafür engagieren, dass sich mein persönliches oder unser aller Leben immer wieder neu zum Guten wendet – im Kleinen wie im Großen.