Lichtgeschwindigkeiten, Galaxien, kosmisches Gas! Mit all dem kenne ich mich überhaupt nicht aus.
Und jetzt stehe ich in einer Ausstellung über das Universum. Über mir spannt sich ein riesiger Sternenhimmel und auf einer Schautafel lese ich, dass ich Sterne sehen kann, die es gar nicht mehr gibt. Aber ihr Licht ist noch sichtbar, weil es Millionen von Lichtjahren entfernt ist. Es ist noch unterwegs zu uns, obwohl der Stern schon längst verloschen ist. Verrückt.
Dann denke ich daran, wie ich mir als Kind immer vorgestellt habe, dass Gott so groß ist wie der ganze Himmel, den ich über mir sehen kann. Und dass die Verstorbenen oben bei Gott in diesem sichtbaren Himmel wohnen. Aber jetzt passt dieses Bild nicht mehr. Denn wie verloren wäre da meine Oma, die irgendwo in einer riesigen Galaxie herumschwirren würde.
Der Himmel, als Kind war das für mich der Ort voller Geborgenheit und Schutz. Jetzt in dieser Ausstellung begreife ich: der Himmel, zu dem ich als Kind aufgeschaut habe – darin verliere ich mich. Und erst Recht meine lieben Verstorbenen.
Gott so groß wie der ganze Himmel – und meine Oma bei ihm. Da ist der Himmel natürlich ein Bild, ich weiß. Dafür wie ich mir Gott vorstellen kann und wie das sein könnte, wenn Menschen nach dem Tod auf ganz neue Weise bei Gott leben. Aber jetzt habe ich im Ansatz begriffen, wie unfassbar groß das alles ist, diese Galaxien und das ganze Weltall. Was mache ich jetzt mit meinem Bild vom größten Gott?
Wenn ich über Gott nachdenke, verwende ich immer Bilder. Ich brauche Vergleiche, damit ich irgendwie anfangen kann nachzudenken. Und damit ich mich annähern kann, wie Gott vielleicht wirklich ist. Als Theologin heute packt mich noch ein anderes Bild. Eine Kollegin hat mich darauf gebracht. Sie hat mich gefragt: "Ruth, wie wäre es, wenn Gott nicht der Größte und der Mächtigste ist, so groß wie der ganze Himmel? Was, wenn er eher so klein ist wie ein winziger Gedanke? Wenn Gott so klein wäre, dass er überall dazwischen passt?"
Meine Kollegin und ich werden nie wissen, wie Gott ist. Aber die Idee, dass Gott ganz klein und flexibel ist, die spricht mich inzwischen sehr an. Ich frage mich: Was wäre, wenn Gott der Kleinste ist?
Mich fasziniert dieser Gedanke, dass Gott vielleicht so winzig ist, dass er zum Beispiel zwischen zwei zündende Ideen passt, die ich gerade habe. Oder er ist so klein, dass er sich verstecken kann in der Sehnsucht, die mich plötzlich packt.
Jahrelang habe ich so nicht gedacht. Aber eigentlich ist es doch naheliegend. Immerhin hat sich Gott ja auch sehr klein gemacht, als er in Jesus von Nazareth einmal in der Geschichte Mensch geworden ist. Das war in einem einzigen Menschen, in einem Land, in einer ganz bestimmten Zeit. Das ist auch ziemlich klein oder zumindest sehr eingegrenzt, wenn man auf die ganze Menschheitsgeschichte schaut.
Aber natürlich ist es gleichzeitig auch riesengroß. Denn ein Mensch ist ja auch wie ein Universum, so reich! Mit so vielen Gedanken, mit so vielen Erfahrungen und seiner Einmaligkeit. So wird es auch bei Jesus von Nazareth gewesen sein. Gott ist ganz sicher mit keinem Größenverhältnis zu fassen. Gott als der Größte oder Gott als der Kleinste. Vielleicht ist beides gleich falsch, oder gleich richtig!
Heute gefällt mir diese Vorstellung und ich will ein bisschen daran festhalten. Ich stelle mir vor: Gott ist wie jemand ganz Kleines in mir drin, der immer wieder anklopft und mir Mut, Kraft und Geistesblitze schenkt.