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Auf Kurs bleiben

Morgenandacht, 19.09.2023

Wolfgang Drießen, Trier

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Da sitzen drei Männer in einem kleinen Boot. Das sieht aus wie die sprichwörtliche Nussschale. Einer rudert noch, die anderen haben Hilfe suchend die Hände ausgestreckt. Ein anderer ist schon ausgestiegen und bis über die Hüften in den Wellen versunken. Aber Jesus steht vor ihm und hat gerade seine Hand gepackt. Und jeder weiß: Alles wird gut! Wenn du nur deine Hand nach dem Herrn ausstreckst. Er wird sie ergreifen und dich halten, egal wo dir das Wasser steht. Im "Codex Egberti", einer Schrift aus dem Frühmittelalter mit Texten aus der Bibel, gibt es dieses Bild. Es illustriert die Geschichte vom Sturm auf dem See und dem Versuch des Petrus, übers Wasser zu gehen.

Schnitt. Und ab zurück nach vorn ins Jahr 2023. Da hört sich diese Geschichte ganz schön naiv an. Zumindest mal auf den ersten Blick. Jede menschliche Erfahrung zeigt: Im Ernstfall wird man unter Umständen auch untergehen. Es sei denn, die Seenotrettung ist schnell genug, man hat hervorragende Seeleute an Bord, weiß auch im Dunkeln zu navigieren und hat das notwendige Glück. Auf jeden Fall wird niemand übers Wasser kommen und alles richten.

Ich kann nicht anders und stelle mir vor, das Boot in der Bibel ist die Katholische Kirche in Deutschland. Das schwimmt Jahrhunderte lang, bis einer kommt und ganz zaghaft ein Leck meldet. Die Antwort des Kapitäns: "Da ist kein Leck. Zurück an die Ruder". Dann bekommen noch mehr Leute Bedenken und nasse Füße. Antwort des Kapitäns: "Zieht Gummistiefel an und schaut nach oben. Denn wenn man kein Leck sieht, dann ist auch keins da." Ein Arbeitskreis, der sich mit der Frage nach Sein oder Nichtsein eines Lecks beschäftigt, kommt zu dem Schluss: Nach biblischem Befund kann uns ein Leck nicht schaden. Und sollte tatsächlich irgendwo Wasser eindringen, dann fließt das wie von selbst wieder ab. Außerdem liegt die Verantwortung nicht in unserer Hand.

Der Herr wird’s schon richten. Als die Katastrophe unausweichlich erscheint, sagen die Offiziere: Man kann auch mit einem vollgelaufenen Boot noch eine Zeit lang über Wasser bleiben. Aber dann merken Offiziere, dass man etwas ändern muss. Dass ein Leck nicht von selbst wieder zu geht. Dass der Kurs korrigiert werden muss. Da kommt ein alter, weiß gekleideter Admiral aus Rom, sieht den Ernst der Lage, schüttelt den Kopf und befiehlt, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Und der Wind legt sich nicht. Und der Admiral steigt auch nicht mit ins Boot. Der muss zurück, hat noch andere Kähne in der Flotte, um die er sich kümmern muss.

Hier bricht die Geschichte ab, ihr Ende bleibt unbekannt.

Ob und wie es mit der Kirche weiter geht, ob sie – um im Bild zu bleiben – auf Grund läuft oder das andere Ufer erreicht? Und in welchem Zustand der Rest der Besatzung in Zukunft sein wird? Ich weiß es nicht. Die Geschichte aus der Bibel ist auf jeden Fall eine Mahnung. Und zwar an alle Christen. Und sie ist ein Hoffnungszeichen. Sie sagt: Ihr müsst mich, Jesus Christus, im Blick behalten. Dann bin ich da, dann bleibt ihr auf Kurs, auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Wenn ihr mich aus dem Blick verliert, wenn ihr mich nicht mehr erkennt, wenn euch andere Dinge wichtiger sind, dann könnte es sein, dass ihr untergeht. Und wie um das zu bestätigen, setzt die biblische Geschichte am Ende noch eins drauf. Und erzählt, wie es gehen kann. Ich lese es einfach nur vor:

"Sie fuhren auf das Ufer zu und kamen nach Gennesaret. Als die Leute jener Gegend ihn erkannten, schickten sie in die ganze Umgebung. Und man brachte alle Kranken zu ihm und bat ihn, er möge sie wenigstens den Saum seines Gewandes berühren lassen. Und alle, die ihn berührten, wurden geheilt." (Mt 14,34-36)

Über den Autor Wolfgang Drießen

Wolfgang Drießen ist Diplomtheologe und Pastoralreferent im Bistum Trier. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er beim SWF in Baden-Baden sowie im "Theologenkurs" (1984) im Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) in München. Seit 1986 arbeitet Drießen in der Rundfunkarbeit des Bistums Trier in Saarbrücken, seit 1997 ist er der Rundfunkbeauftragte beim SR. In seinen Sendungen versucht er, Mut zum Leben zu geben und Gott als den zu suchen, in dessen Hand man sich fallen lassen kann, wenn es nötig ist.

Kontakt: (0681) 9068 241 // rundfunkarbeit.sr@bistum-trier.de