Glaubt man den Umfragen, genießen Journalisten nur wenig Ansehen in der Bevölkerung. In der Beliebtheitsskala der Berufsgruppen rangieren sie weit unten. Nur die Politiker sind bei den Bürgern noch unpopulärer. Dabei ist die Aufgabe der Journalisten gerade in Krisenzeiten besonders wichtig. Die Suche nach der Wahrheit ist das Kerngeschäft der Redakteure und Publizisten. Und das kann lebensgefährlich sein.
Einer, der das bitter erfahren musste, war Fritz Gerlich. Ein mutiger und unerschrockener Journalist am Ende der Weimarer Republik. Doch während Berufskollegen wie Kurt Tucholsky oder Carl von Ossietzky in Erinnerung geblieben sind, ist Gerlich nahezu vergessen. Dabei hat er Hitler und die Nationalsozialisten noch schärfer und schonungsloser bekämpft. Im Sommer 1932 analysiert Gerlich in seiner Zeitung den Aufstieg Hitlers und der NSDAP. Unter der Überschrift "Der Nationalsozialismus ist eine Pest" rechnet er mit den Rechtsextremisten ab. Hellsichtig schreibt Gerlich: "Nationalsozialismus heißt: Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Inneren, Bürgerkrieg, Völkerkrieg, Hass, Brudermord und grenzenlose Not."
Fritz Gerlich hatte zu dieser Zeit schon ein turbulentes Leben hinter sich. 1883 in einer protestantischen Kaufmannsfamilie in Stettin an der Ostsee geboren, ging er nach dem Abitur zum Studium nach München. Schnell wurde er an der Isar heimisch. Nach seiner Promotion in Geschichte erhielt er eine Anstellung im Bayerischen Staatsarchiv.
Fritz Gerlich war ein politischer Kopf. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs vertrat er zunächst nationalistisch-autoritäre Ideen. Das änderte sich mit dem Hitler-Putsch 1923, dessen Augenzeuge er war. Gerlich arbeitete zu dieser Zeit als Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten. Seine Journalistenkollegen hatten es nicht immer leicht mit ihm. Gerlich konnte jähzornig und verletzend sein. Probleme mit dem Alkohol kamen dazu.
1927 reiste Fritz Gerlich nach Konnersreuth in die Oberpfalz. Hier machte Therese Neumann, eine Bauernmagd, von sich reden. Die ans Bett gefesselte Frau habe Visionen. Sie durchleide die Qualen der Passion Jesu und trage die Wundmale des Herrn am eigenen Körper. So wurde erzählt. Gerlich reiste in die Provinz, um den, wie er sagte, "frommen Schwindel" zu entlarven. Doch die bis heute umstrittene "Resl" von Konnersreuth überzeugte den skeptischen Journalisten. Fritz Gerlich verfasste ein zweibändiges Werk über die charismatische Mystikerin. Und mehr noch: Gerlich konvertierte zum katholischen Glauben. Zusammen mit anderen engagierten Katholiken kaufte er eine kleine Zeitung auf und machte daraus ein Kampfblatt gegen den Nationalsozialismus, den "Geraden Weg".
Anfang März 1933, wenige Wochen nach der Machtergreifung, stürmten SA-Leute die Redaktionsräume und verhafteten Fritz Gerlich. Im Münchner Polizeipräsidium folterten sie ihn. Ein gestiefelter Schläger sprang mit voller Wucht auf Gerlichs Hände. Der Regimekritiker sollte nie wieder schreiben können!
Über ein Jahr saß Gerlich ohne Gerichtsverfahren in "Schutzhaft". Dann, am 30. Juni 1934, brachte man ihn im Zuge des sogenannten „Röhm-Putschs“ ins KZ Dachau und erschoss ihn.
Heribert Prantl, langjähriger Redakteur der Süddeutschen Zeitung, sieht in Fritz Gerlich einen "journalistischen Märtyrer". Prantl schrieb über ihn: "Er wurde von den Nazis (…) umgebracht, weil er die Pressefreiheit zu dem Zwecke nutzte, für den sie da ist: Die Würde des Menschen zu schützen." Und Prantl weiter: "Es ist wichtig, dass junge Journalisten in den Journalistenschulen nicht nur lernen (…), wie man effektiv und schnell schreibt und produziert, sondern dass sie dort auch erfahren, dass es journalistische Vorbilder gibt."
Auch die Kirche will Fritz Gerlich nicht vergessen. Das Erzbistum München-Freising hat ein Seligsprechungsverfahren für den großen Journalisten eingeleitet.