Kann sich ein Mensch in einen Roboter verlieben?
Diese Frage stellt auch der Film "Ich bin dein Mensch" von Maria Schrader aus dem Jahr 2021. Er handelt von einem menschenähnlichen Roboter namens Tom, der auf Tuchfühlung zu Alma gehen soll. Alma ist Archäologin. Um an Forschungsgelder für ihre Arbeit zu kommen, lässt sie sich zur Teilnahme an einer außergewöhnlichen Studie überreden. Drei Wochen soll sie mit einem Roboter zusammenleben, dessen künstliche Intelligenz darauf angelegt ist, der perfekte Lebenspartner für sie zu sein.
Doch zu Hause merkt Alma schnell, dass ihr die aalglatte Perfektion des künstlichen Mannes auf die Nerven geht. Sie freut sich nicht über ihr von Tom perfekt aufgeräumtes Wohnzimmer, ist irritiert über das geordnete Bücherregal, findet das Champagnerfrühstück mit Erdbeeren genauso albern wie seine romantischen Komplimente. Alma, eine moderne, selbstbewusste Frau, will sich nicht von der Mechanik einer Maschine verführen lassen. Und dennoch beginnt sie, sich in Tom zu verlieben. Und zwar ausgerechnet als dieser beginnt, unberechenbar zu werden, Erwartungen auszuhebeln, quasi ein Eigenleben zu entwickeln. Oder beruht auch dieses Verhalten auf perfekter Berechnung?
Der Film macht deutlich: echte Menschen sind nicht perfekt. Die Fehlerlosigkeit macht den Menschen nicht aus, im Gegenteil: Fehler und Unberechenbares machen Menschen füreinander erst liebenswert. Viele biblische Erzählungen machen diese Fehlerhaftigkeit von Menschen zum Thema – eine davon gefällt mir besonders gut, obwohl ich mich wohl ein Leben lang daran reiben werde, denn sie erzählt auch von der Unberechenbarkeit Gottes! Ich meine das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
Da werden zu unterschiedlichen Zeiten am Tag, Arbeiter vom Gutsherrn angeworben, um im Weinberg zu arbeiten. Allen verspricht der den gleichen Lohn. Als am Abend ausgezahlt wird, die Überraschung: Wer zwölf Stunden, also den ganzen Tag lang arbeitet, erhält ebenso viel wie der, der erst gegen Abend dazukam und nur noch eine Stunde gearbeitet hat. Das stellt natürlich jegliches Gerechtigkeitsempfinden auf den Kopf!
Rechnet Gott falsch? Dann wäre er ungerecht. Oder rechnet Gott einfach anders, unberechenbar? Vielleicht hat er aber auch andere Augen, durch die er den Menschen ansieht – im Menschen mehr sieht als das, was er tut oder nicht tut.
Der evangelische Theologe Eberhard Jüngel (1934-2021) deutet die Geschichte so: Gott unterscheidet den Menschen von seinen Werken. Für Gott ist der Mensch wesentlich mehr als die Summe seiner Taten und Untaten. Nicht was ein Mensch aus sich macht, entscheidet über ihn, sondern was Gott an ihm tut. Es gibt in der Bibel zwar schon klare Hinweise darauf, dass sich der Mensch für den Himmel anstrengen muss. Aber es geht nie um Perfektion, denn ein perfektes Menschenbild hätte ziemlich katastrophale Folgen. Früher hat man z.B. Menschen, die – aus Verzweiflung oder aufgrund einer Krankheit – ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt haben, oft das kirchliche Begräbnis verweigert. Die "Tat" wurde unabhängig vom Menschen und seiner inneren Entwicklung gewertet.
Das Gleichnis aber zeigt mir, dass es da zum Glück noch die Betrachtungsweise Gottes gibt – auch wenn sie meine Betrachtungsweise manchmal verstörend auf den Kopf stellt. Gott rechnet ganz anders, als ich es gelernt habe. Er schaut liebevoll auf den Menschen, auch auf seine Fehler. Dieser Blick macht das "Mehr" des Menschen aus. Und das geht weit über einen berechenbaren Roboter hinaus! Gott sei Dank!