„Außer Rand und Band“. Das ist der Sinn des Karnevals. Vor dem Ernst der österlichen Bußzeit, die von jeher am Aschermittwoch beginnt, nochmals alles aufmischen oder sogar auf den Kopf stellen - das ist historisch gesehen der Ursprung dieser Narrenzeit. Und heute am Rosenmontag nähert sich das mit den Umzügen einem besonderen Höhepunkt.
Aber wie sehr wird in diesen Zeiten spürbar, dass derzeit die ganze Welt durcheinander ist. „Außer Rand und Band“ ist nicht nur das Signum der tollen Tage; es scheint der Normalfall. Schon die Corona-Jahre waren schlimm; aber der Ukraine-Krieg hat noch viel mehr schlimm durcheinandergebracht, und dabei ist er längst nicht der einzige Krieg. So vieles, was geordnet schien und relativ sicher, ist außer Rand und Band, bei uns nicht zuletzt die Preise. Dass mitten in Europa ein Land ein anderes angreift oder gar vernichten will, ist ungeheuerlich.
Dagegen ist das karnevalistische Chaos wahrhaftig ein lustiges und lustvolles Kinderspiel. Alles ist wortwörtlich verrückt und steht in Frage. Wie das zusammenkriegen? Wie Kurs halten? Wie dem Karneval gerade heute seine Freude lassen, ohne ‚Blinde Kuh‘ zu spielen im Blick auf die Weltlage? Wie sich ernsthaft dem Elend von Gewalt und Hunger stellen und trotzdem nicht als Spielverderber und Störenfried dastehen? Es ist zum Heulen.
Ja, gerade bei den Tränen liegen Freud und Leid nahe beisammen: wir können „Tränen lachen“. Widersprüchlicher geht’s gar nicht. Wenn etwas kein Grund zum Lachen ist, dann sind es Tränen. Denn die drücken Not und Schmerz aus, sie erfordern Mitgefühl und Anteilnahme. Es ist zum Heulen!
Aber ein Satz oder ein Ereignis können derart witzig sein, dass wir uns vor Lachen gar nicht einkriegen und Tränen in den Augen haben. Beide Male werden wir bis ins Körperliche durchgeschüttelt und Tränen signalisieren, wie vieles in Bewegung und zum Fließen kommt. Wir werden erschüttert, durch das Schöne und Lustvolle, und eben auch durch das Schreckliche und Schlimme.
„Es ist ein Weinen in der Welt,/als ob der liebe Gott gestorben wär.“ So dichtete Else Lasker-Schüler. In der Tat: noch liegt die Welt im Argen, die ganze Schöpfung liegt in Wehen und schreit nach Frieden und Gerechtigkeit. Himmelschreiend ist das Elend durch Krieg und Gewalt. „Und wir, die wir den Geist Gottes empfangen haben, seufzen und stöhnen noch mehr als alle anderen.“ So unterstreicht der Apostel Paulus (Röm 8,14ff).
In Jesus Christus ist nämlich zu erkennen, wie wahres Leben geht; umso schmerzlicher ist der Kontrast zu dem, was geschieht. Die christliche Osterhoffnung setzt Maßstäbe zum Guten, umso größer das Leiden am vorhandenen Unrecht und der Protest dagegen. In der Karnevalslust ist auch etwas von dieser diebischen Freude, dass es nicht so weiter geht. Alles wird auf den Kopf gestellt. Das hat ja schon in biblischen Zeiten begeistert: „Selig seid, wenn ihr jetzt weinen müsst; ihr werdet zu lachen haben. Wehe euch, die ihr euch jetzt ins Fäustchen lacht, ihr werdet das große Heulen kriegen.“ (vgl Lk 6, 21.26)
Ja, Jesus verkündet einen Gott, der ungerechte Verhältnisse aufmischt. „Die Mächtigen erniedrigt er, die Reichen lässt er leer ausgehen, und die Kleinen macht er groß.“ Da wird alles wortwörtlich verrückt, und Jesus erscheint wie ein Gottesnarr. Wer sich daran orientiert, kann sich mit dem Ist-Zustand der Welt nicht abfinden, er und sie werden für gute Veränderungen sich einsetzen.
Macht nicht auch das den Jecken aus? Da kann man wirklich “Tränen lachen“ – Tränen des Mitleidens noch und des Kampfes, Tränen der Freude – bis zum großen Osterlachen. Dann kann man beten, wie in dem Gedicht von Dorothee Sölle: „Gib mir die Gabe der Tränen, Gott, gib mir das Wasser des Lebens.“