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Nicht über Details streiten

Morgenandacht, 20.02.2025

Peter-Felix Ruelius, Schlangenbad

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Was für eine Harmonie muss das gewesen sein! Steigt man in den Ausgrabungen der Stadt Rom in die Tiefe, dann entdeckt man an manchen Stellen ganz frühe christliche Zeugnisse. Fundamente und Mauerreste von so genannten Hauskirchen. Das waren Treffpunkte von Christen, die noch ganz nah dran waren am Anfang des Christentums, noch frisch verliebt sozusagen. Und in dieser Zeit waren sich, so hofft man, doch alle einig. Mussten es ja sein, weil die Umwelt ihnen gar nicht wohlgesonnen war. Sowas schweißt zusammen.

Von wegen. Schon in den ersten Jahren gab es Streit. Offensichtlich erbittert und grundsätzlich. Grob gesagt ging es um die Frage, ob man erst das jüdische Gesetz und die Traditionen übernehmen muss, um Christ zu sein oder ob es auch einen direkten Zugang zum Christentum für so genannte Heiden geben kann. Es krachte gewaltig.

Doch: Das Schlechte hat auch sein Gutes. Denn den Streitigkeiten verdanken wir eines der wichtigsten und stärksten Dokumente der Bibel, den Brief des Apostels Paulus an die Römer. Da wäscht Paulus den Christen in Rom gehörig den Kopf. Konkret geht es an einer Stelle um die Frage, was man denn essen darf. Ob Fleisch (das möglicherweise irgendwie mit der Praxis der Tieropfer in Rom zu tun haben könnte) oder nur Gemüse – das wäre dann unverdächtig.

Paulus lässt sich auf diesen Streit gar nicht inhaltlich ein. Er sagt nicht, was richtig und falsch ist, weil es ihm um etwas Größeres geht. Wenn es stimmt, so sagt er, dass wir Menschen alle von Gott angenommen sind und wenn das der Kern des christlichen Glaubens ist, dann, ja dann wird es kleinlich und lächerlich, den anderen wegen seines Lebensstils oder seiner Gewohnheiten zu verurteilen. Denn das, was uns verbindet, ist die Liebe. Und das ist so entscheidend, dass das Trennende nun wirklich in den Hintergrund treten muss. Die Liebe, so Paulus, schuldet ihr einander immer. Was ist eigentlich los mit euch, dass ihr einander verurteilt oder verachtet?

Und dann sind wir mit einem Mal mitten in der Gegenwart. Wir leisten uns an so vielen Stellen Streitigkeiten, Verurteilungen, Hass und Spaltung, dass wir offensichtlich aus dem Blick verlieren, was uns zusammenhalten könnte.

Vor genau fünf Jahren begann die Covid-Pandemie. Und damit eine extreme Herausforderung für die gesamte Bevölkerung. Vielfach wird jetzt daran erinnert. Und sofort taucht in der Erinnerung auf, dass es zu massiven Spaltungen kam. Zu Vorwürfen, zu Hass und Gräben, zu Verletzungen, die teilweise immer noch nicht verheilt sind.

Und dann klingt es so, als hätte der Apostel Paulus über die Zeit von zweitausend Jahren direkt in unsere Gegenwart gesprochen: Wer bist du, dass du über deinen Nächsten urteilst? Wer bist du, dass du deinen Bruder oder deine Schwester verachtest? Streitet, argumentiert, sucht nach dem besten Weg – aber verlasst nicht die Basis, auf der ihr steht. Die Liebe, so Paulus, schuldet ihr einander immer.

Vor gut sechzig Jahren hat das Zweite Vatikanische Konzil, die universale Versammlung der katholischen Kirche, einen Text über die Kirche in der Welt von heute verfasst. Der endet mit einem bemerkenswerten Artikel, dem Aufruf zu einem Dialog mit allen, die an dem Aufbau einer friedlichen und gerechten Welt mitarbeiten wollen. Eine Voraussetzung dafür sei, dass die Christen selbst in Einigkeit auftreten und gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen. Denn, so sagt es dieser Text, "stärker ist, was die Gläubigen eint als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe." Dieser alte Satz gibt die Richtung an. "Im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem Liebe." Denn: Die Liebe schuldet ihr einander immer.

Über den Autor Dr. Peter-Felix Ruelius

Dr. Peter-Felix Ruelius, geboren 1964, ist Theologe und leitet gemeinsam mit einer Kollegin den Bereich Christliche Unternehmenskultur / Ethik bei den Franziskanerbrüdern vom Hl. Kreuz. Als Trainer, Supervisor und Coach begleitet er Menschen in ihren beruflichen Herausforderungen und Entwicklungen. Peter-Felix Ruelius war lange Zeit als Religionslehrer in Fulda tätig und arbeitete mehrere Jahre in der Lehrerfortbildung.