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Wie funktioniert Beten?

Morgenandacht, 20.03.2025

Sebastian Fiebig, Hamburg

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Wie funktioniert eigentlich Beten? Es gibt Menschen, die stellen sich Beten so vor wie die Bestellannahme beim Burgerladen. "Ich hätte gerne einmal dies, einmal das." – "Gott, mach, dass … ich einen neuen Job finde … mein Verein den Pokal gewinnt." Und dann kommen keine Antworten oder sie fallen ganz anders aus, als man sich das gewünscht hat. Was soll Gott auch tun, wenn ich für den neuen Job keine Bewerbungen schreibe oder jemand anders für seinen Verein betet? Wer Beten so versteht, macht wahrscheinlich die Erfahrung: Das funktioniert überhaupt nicht! Nein, das kann es auch nicht. Ein Gebet ist keine "Wunscherfüllungszauberformel".

Wie funktioniert Beten? Im Gebet kann ich Gott meine Sorgen sagen, meine Freude teilen, meinen Dank ausdrücken oder einfach nur still sein. Aber ich kann auch um etwas bitten, für andere und auch für mich selbst. Jesus hat seine Jünger dazu ermutigt: "Bittet und es wird euch gegeben"[1], heißt es im Matthäusevangelium. Und weiter: "Euer Vater im Himmel [wird] denen Gutes geben, die ihn bitten." Und wenn man genau liest, dann merkt man schon etwas Wichtiges: Er verspricht, dass er Gutes geben wird. Vielleicht ist das Gute nicht immer das, was ich dafür halte und um das ich ausdrücklich bitte.

Im zweiten Jahrhundert hat der frühchristliche Theologe Tertullian ein Buch über das Gebet geschrieben. Er tat das zur Zeit einer heftigen Christenverfolgung, als Christen dabei nicht selten zum Spektakel sogar den Löwen vorgeworfen wurden. Tertullian schrieb, was man vom Gebet erwarten könne und was nicht. Das Gebet, so schrieb er, "stopft nicht den Rachen der Löwen, es bringt nicht den Hungernden das Mittagsbrot der Feldarbeiter hinüber."[2]

Nein, das Beten bewirkt keinen überirdischen Eingriff in den Lauf der Dinge, so funktioniert das wirklich nicht. Aber es zeigt seine Macht auf andere Weise, meint Tertullian: Es gibt dem Betenden Kraft. Das kann die Kraft sein, das Martyrium zu überstehen oder die Kraft, mit den Hungernden das Brot zu teilen, wenn man selbst wenig hat. So verstanden, bewirkt das Gebet nicht in erster Linie etwas Äußeres, sondern etwas Inneres, etwas, das in mir geschieht.

Beten eröffnet einen Raum, in dem ich zur Ruhe kommen kann. In der Stille passiert nicht Nichts. Wenn ich im Gebet nachdenke, meine eigenen Gedanken ordne, mein Denken und Handeln reflektiere, dann wird Veränderung in mir angestoßen. Wie bei einem Mobile. Ein kleiner Anstoß irgendwo am Rand, den ich vielleicht selbst kaum bemerke, bringt alles neu in Bewegung.

Ich versuche hinzuhören, mit Gott ins Gespräch zu gehen, seine Sichtweise zu erforschen, von ihm Antworten zu bekommen.
Manchmal gehe ich mit einer Frage ins Gebet und erfahre, dass ich am Ende klarer sehe.
Manchmal gehe ich mit Traurigkeit ins Gebet, und ich erfahre Trost.
Manchmal gehe ich selbstsicher ins Gebet und bekomme Zweifel.
Manchmal gehe ich mit Wut ins Gebet und bekomme Gelassenheit.
Ich bitte um etwas, und später merke ich: Gutes ist gekommen. Ich darf die Bitten abgeben, Gott anvertrauen und selbst loslassen. So gelebt kann das Gebet mich verändern, wird es zu einem Werkzeug der inneren Transformation.

Wenn diese Wandlung in mir passiert, dann kann auch etwas Äußeres geschehen. Weil ich mich verändert habe und andere darauf reagieren, werde ich Veränderung bewirken können. So kann Beten Gutes bewirken, ganz real.


[1] Mt 7,7 EÜ

[2] Tertullian, De oratione 29

Über den Autor Sebastian Fiebig

Sebastian Fiebig wuchs in Hamburg auf und studierte Theologie in Münster. Heute arbeitet er als Pastoralreferent im Erzbistum Hamburg. Sein Weg führte ihn in die Pfarrpastoral und die Seemannsseelsorge im Hamburger Hafen. Beauftragt wurde er auch mit dem Gedächtnis an die Lübecker Märtyrer, die in der Zeit des Nationalsozialismus Widerstand leisteten und hingerichtet wurden. Sebastian Fiebig wurde in die Ökumene- und Liturgiekommission des Erzbistums berufen. Seit vielen Jahren schreibt er Radiobeiträge für die Kirchensendungen des NDR.

Kontakt: sebastian.fiebig@erzbistum-hamburg.org