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Wer weiß, wofür es gut ist

Morgenandacht, 20.04.2023

Pfarrer Dr. Christoph Seidl, Regensburg

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"Wer weiß, wofür’s gut ist!" Diesen Satz kenne ich aus meiner Kindheit noch ziemlich gut. Wenn es an meinem Geburtstag regnete, an dem ich doch im Garten grillen wollte, hieß es: "Wer weiß, wofür’s gut ist!" Wenn ich eine schlechte Note heimbrachte oder mit dem Fahrrad einen Platten gefahren hatte: "Wer weiß, wofür‘s gut ist!" Ehrlich gesagt, hat mich der Spruch zu diesen Gelegenheiten immer ziemlich genervt. Denn wozu sollte z.B. ein platter Reifen gerade jetzt gut sein??

Mittlerweile bin ich sehr viel damit beschäftigt, Fortbildungen zu halten für die Begleitung kranker oder beeinträchtigter Menschen. Sehr viel Wert lege ich dabei immer auf das Gespür für Sätze, die fehl am Platze sind. Dazu gehört ganz sicher die Redewendung: "Wer weiß, wofür‘s gut ist!"

Viele Teilnehmende erschrecken an der Stelle: Sie fühlen sich ertappt, weil sie diesen Satz tatsächlich häufig sagen: zum Beispiel der Tochter nach der nicht bestandenen Führerscheinprüfung, aber sogar, wenn eine Beziehung zerbrochen ist oder sich eine Krankheit ins Leben geschoben hat. Ich halte ihnen sogar zugute, dass sie es eigentlich gut meinen: sie wollen trösten, wollen den Blick nach vorne richten, wollen Lebenshilfe geben. Aber wenn sich ein Unglück grade frisch ereignet hat, kann der ziemlich zerstörend wirken. Er würdigt nicht die tragische Situation, sondern geht viel zu schnell über zu einem Lösungsvorschlag, der aber derzeit noch in weiter Ferne oder vielleicht sogar unmöglich zu sein scheint.

Ich persönlich blicke auf eine Tumorerkrankung zurück, die mich vor 20 Jahren sehr belastet hat. Mittlerweile denke ich: Diese Zeit war sehr wichtig in meiner Biographie, sie hat mir einen veränderten Blick auf mein Leben beigebracht. Aber nur ich selbst kann das als Betroffener sagen – und das auch nur im Rückblick.

In der Akutsituation damals hätte ich einen Menschen, der mir gesagt hätte "Wer weiß, wofür‘s gut ist!" mit Sicherheit rausgeschmissen. Wenn ich tragische Neuigkeiten erfahre, ist das wichtigste und erste, dass ich die Hilflosigkeit und Verzweiflung eines Menschen ernst nehme und würdige. Das bedeutet auch, dass ich sie mit ihm aushalten muss – auch für mich nicht einfach. Aber entschieden besser, als wenn ich leichtfertig über die Schwere dieses Augenblicks hinweggehe, um mich selbst zu schützen.

Die Frage ist natürlich: Wenn Durchhalteparolen wie diese falsch sind, was kann dann helfen? Es wäre freilich zu wenig, wenn ich über etwas Schweres nur klagen und keine Perspektive nach vorne eröffnen könnte. Die Hoffnung, die sich hinter dem Satz "Wer weiß, wofür‘s gut ist!" verbirgt, ist ja nicht schlecht: denn ich brauche Hoffnung, um weitergehen zu können und ein Scheitern oder eine Krise auch zurücklassen zu können.

Die Ordensfrau Edith Stein war jüdischer Herkunft. Sie konvertierte zum katholischen Glauben und verlor schließlich im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ihr Leben. Bei ihr habe ich Gedanken gefunden, die dieser Zuversicht Ausdruck verleihen. Edith Stein wendet sich in der Sorge um ihre ungewisse Zukunft an Gott. Und sie schreibt:

"Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen

leg ich meinen Tag in deine Hand.

Sei mein Heute, sei mein gläubig Morgen, sei mein Gestern, das ich überwand.

Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen, bin aus deinem Mosaik ein Stein.

Wirst mich an die rechte Stelle legen.

Deinen Händen bette ich mich ein."

Über den Autor Christoph Seidl

Pfarrer Christoph Seidl wurde 1967 geboren. Er stammt aus Regensburg und ist seit 1992 Priester im Bistum Regensburg. Nach der Kaplanszeit in Straubing arbeitete er in der Priesterausbildung mit und war Studentenpfarrer in Regensburg. Pfarrer Seidl ist als Seelsorger für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen im Bistum Regensburg tätig und als Gemeindeseelsorger in Regensburg – Harting.

Kontakt: seidl@seelsorge-pflege.de