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Sorgt euch nicht

Morgenandacht, 20.10.2023

Pfarrer Christoph Seidl, Regensburg

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Tanzen mit dem Rollstuhl? Kaum zu glauben – aber es geht! Bei einem Einkehrtag für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas hatten wir eine Referentin eingeladen, die in ihr Programm immer wieder ruhige, aber auch lebendige Kreistänze einbaut. Zum ersten Mal hatte sich da auch eine Mitarbeiterin im Rollstuhl angemeldet. Ich kenne sie schon länger und weiß auch um ihre Freude am Tanzen, da war sie früher richtig gut. Und auch jetzt geht es erstaunlich gut, denn sowohl die Dame als auch der Rollstuhl sind extrem wendig.

Die Menschen rechts und links von ihr nehmen sie an den Händen und geben ihr schon mal den richtigen Schwung – lenken kann sie ganz gut selber. Natürlich ist da erstmal ein etwas sorgenvolles Gefühl: Wird es gut gehen? Werden die anderen Teilnehmenden sie gut integrieren? Wird sie sich selbst wohl fühlen in dieser Runde?

In manchen Gesichtern der Teilnehmenden entdecke ich ein kurzzeitiges Stutzen. Aber sie selbst spricht in der Eröffnungsrunde ihr Handicap an – und danach ist es überhaupt kein Problem mehr. Im Gegenteil: e´Ws wird viel gelacht. Bei manchen Tänzen sagt sie selbst: "Da setze ich mal aus!" oder "Vielleicht mache ich da mal meine kreative Runde mit Figuren, die mir leichter fallen!" Am Schluss aber haben wir das Gefühl, dass es für alle Beteiligten ein gelungenes und erfreuliches Erlebnis gewesen ist.

Ich überlege, worin eigentlich der Schlüssel zum Gelingen eines solchen "Inklusionstages" liegt. Und ich denke, es hat ganz viel mit der Heiterkeit der Teilnehmerin im Rollstuhl zu tun. Sie strahlte selbst so eine Unbeschwertheit aus, dass wir anderen ohne Rollstuhl letztlich in diesem Hilfsmittel kein Hindernis, sondern eher eine spannende Aufgabe sahen. Schon sehr bald begannen einige aus der Gruppe, für die Rollstuhlfahrerin mitzudenken und anderen Hinweise zu geben, wie es ganz leicht anders gehen könnte.

Heiterkeit angesichts der Schwere des Lebens – ist das überhaupt angebracht? Der Journalist und Schriftsteller Axel Hacke hat gerade ein Buch über die Heiterkeit geschrieben. Dabei stellt er selbst die Frage:
"Gab es denn jemals eine Epoche, in der sich die Menschheit ernsteren Forderungen gegenübergesehen hätte, fürchterlicheren Bedrohungen, schlimmeren Aussichten? … Schreit diese Zeit nicht zuallererst nach Ernst?"

Axel Hacke hat in der jüngeren Vergangenheit geforscht und kommt zu dem Schluss, dass es eigentlich immer einen Grund gegeben hat, an der Welt und ihrer Gestalt zu verzweifeln, dass aber eigentlich nichts heilsamer ist als eine gehörige Portion Humor! Heiterkeit eben!

Ich denke an den biblischen Rat "Sorgt euch nicht!" (Mt 6,25). Da sagt Jesus weiter: "Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte – aber euer Vater im Himmel sorgt für sie. Und ihr seid ihm doch viel mehr wert als Vögel!"

Dieser Vergleich wirkt in dem Zusammenhang fast etwas banal. Und doch geht es im Leben nicht ohne eine gewisse Sorglosigkeit – oder sagen wir besser Gelassenheit oder eben gleich Heiterkeit!

Und wie schafft man es, eine solche Gelassenheit zu gewinnen? Axel Hacke kommt in seinem Buch zu folgendem Ergebnis: "Vergiss genau diese Frage, wie man zur Heiterkeit kommt! Erwarte kein Rezept, keine Pillen, keine Heiterkeitstherapie … schaue dir selbst das Leben an und beobachte, was es mit dir gemacht hat und weiter macht und was du mit ihm machen willst. Was tut dir gut? Was hat dich heiter gestimmt? Und folge dem, immer."

Über den Autor Christoph Seidl

Pfarrer Christoph Seidl wurde 1967 geboren. Er stammt aus Regensburg und ist seit 1992 Priester im Bistum Regensburg. Nach der Kaplanszeit in Straubing arbeitete er in der Priesterausbildung mit und war Studentenpfarrer in Regensburg. Pfarrer Seidl ist als Seelsorger für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen im Bistum Regensburg tätig und als Gemeindeseelsorger in Regensburg – Harting.

Kontakt: seidl@seelsorge-pflege.de