Endlich ist es mit den Corona-Masken vorbei, fast ganz jedenfalls. Wie ärgerlich das sein konnte, nicht das ganze Gesicht sehen und zeigen zu können. Wie schwierig manchmal, den Luftzug des Atmens zu steuern. Ich bin jedenfalls froh, dass wir diese aufgezwungene Maskerade hinter uns haben. Aber komisch, dass wir jetzt zu Karneval trotzdem wieder Masken aufsetzen und in andere Kostüme schlüpfen. Gut, das ist freiwillig, und es macht Spaß. Und es läuft nur begrenzte Zeit, diese tollen Tage finden heute schon ihr Ende.
Im Maskentragen steckt offenkundig nicht nur ein Schutz vor Bedrohung, sondern auch die Lust an Veränderung. Endlich mal aus der eigenen Haut fahren und aus der Rolle fallen, endlich mal in ein anderes Kostüm schlüpfen und jemand anderer sein, endlich mal sich selber los werden. Der Clown ist das beste Beispiel für diese Lust am Verstellungsspiel. Endlich mal verrückt spielen und dem normalen Leben ein paar Grimassen schneiden. Da lässt sich dann auch manches zeigen und sagen, was sonst versteckt wird und verborgen bleiben muss. „Nur Kinder und Narren sagen die Wahrheit“, meint ja der Volksmund. Das Leben ist ein Maskenball.
Die alten Griechen haben das Theater erfunden. Da trugen alle Schauspieler Masken, sie sollten ja jemand anderen darstellen. Diese Maske hieß Prosopon, lateinisch persona: durch das Mundloch der Maske konnte die Stimme des Darstellers lautverstärkt hindurchtönen und jeden Zuhörer, jede Zuschauerin erreichen. Unser Zentralwort „Person“ heißt also ursprünglich Theatermaske und meint das Durchtönen von woanders her. Jeder Mensch ist Person, das heißt dann, jeder Mensch ist mehr als sein Aussehen und seine Außenwirkung.
In den Rollen, die er spielt auf der Bühne des Lebens, kommt mehr zum Vorschein, als man sieht. Da gibt es so etwas wie ein inneres Team, und im Grunde ist alles geheimnisvoll: wer bin ich, und wenn ja wie viele? Immer ist Unerhörtes im Spiel. Das macht die Würde jeder menschlichen Person aus, und die ist unhintergehbar und verdient höchste Wertschätzung.
Jeder Mensch trägt Masken und spielt Rollen, aber entscheidend ist doch sein Gesicht, sein Innerstes, sein Herz. Wie einmalig schön, wenn ein Mensch sich öffnet und aus seinen Rollen tritt. Nichts geht über den Blick von Angesicht zu Angesicht. Und nichts ist trauriger, als sich dauernd verstellen und kontrollieren zu müssen. Groß ist auch die Gefahr, projektiv anderen dauernd eine Maske aufzusetzen.
„Du sollst dir vom Anderen kein Bild machen“, heißt es deshalb in der Bibel. Man muss jedenfalls ungemein aufpassen, dass man einem Menschen nicht, wenn man ihm die Maske abnehmen will, sein Gesicht verletzt und mit dem einen das andere gar abreißt. Wie schrecklich ist es, sein Gesicht zu verlieren.
Wie tröstlich ist deshalb die biblische Auskunft: „Gott schaut nicht auf das Ansehen der Person.“ (vgl. Apg 10,34; Röm 2,11) Er schaut nicht auf die Rollen, die wir spielen, er schaut auf das Herz. Er lässt sein Angesicht leuchten und sucht das unsere. Wir brauchen nicht länger Rollen spielen und Masken tragen.
„Leg mein Gesicht frei, mach mich schön. / Wer sich entlarvt sieht, wird gefunden.“ Heißt es im Gebet von Huub Oosterhuis. „Wer sich entlarvt sieht, wird gefunden/ und wird ganz neu sich selbst verstehn, /wird leben offen, unumwunden/ und nirgends hin verloren gehen. / Leg mein Gesicht frei, mach mich schön.“