"Räum, endlich, bitte, dein Zimmer auf!"
Der eine oder die andere hat sicher noch die mütterliche, bzw. väterliche Stimme im Ohr, mal sanft, mal genervt getönt. Der dazugehörende Maßnahmenkatalog kann reichen von "Vorher gibt’s kein Abendbrot" bis zum als unwiderruflich angedrohten Taschengeld- oder Smartphone-Entzug.
Die eigene innere Stimme klingt genauso nervig: "Wie sieht das hier wieder aus", flüstert sie. "Du müsstest dringend Ordnung schaffen!" Neben einem schlechten Gewissen wird der Ausredenkatalog gleich mitgeliefert: "Jetzt habe ich leider keine Zeit", oder: "Wo soll ich überhaupt anfangen?" Also lässt man es ganz – und ist lieber unglücklich über die mangelnde Initiative, als schlicht pragmatisch etwas zu verändern.
Zu diesem anscheinend unlösbaren Problem des Aufräumens hat die Japanerin Marie Kondo drei Bücher geschrieben, die bislang 7 Millionen Mal verkauft wurden und in 27 Sprachen zu haben sind. Damit hat sie weltweit das Leben von Millionen Menschen berührt und verändert. Im Englischen ist das von ihrem Namen abgeleitete Verb "to kondo", als "ausmisten", sogar in den alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen. Marie Kondos Bücher werden geradezu verschlungen und dabei nicht nur begeistert verstanden, sondern genauso missverstanden. Denn ihre Gedanken kreisen nur auf den ersten Blick um Blumenvasen und Sockenschubladen, um zugestellte Garagen und unbegehbare Dachböden.
Im Letzten geht es ihr nämlich um die Wechselwirkung zwischen der äußeren und der inneren Welt. Niemand kann glücklich sein, wenn er oder sie das Leben nicht mehr durchschaut, Prinzipien wahllos übereinander häuft, ohne sagen zu können, welche davon wichtig oder weniger wichtig ist. Wenn die Sehnsucht nach Sinn und Geborgenheit verstellt wird von viel zu viel Besitz oder unter quälendem Beziehungsmüll vergraben liegt, klammert man sich an Nutzlosem fest und sieht nicht mehr über den Tellerrand der bisherigen Lebensgestaltung hinaus.
Es macht glücklich, sein Hab und Gut aufzuräumen, dem Tag eine gute Struktur zu geben, die Seele auszumisten oder sich herauszuwühlen aus dem Gewirr eigener oder fremder Erwartungen.
Die biblischen Schöpfungsgeschichten sagen nicht umsonst, dass Gott am Ende seiner sechs Arbeitstage sein Werk begutachtete und sah: Es war sehr gut. Alles war an seinem Platz, Sterne und Fische, Bäume und Menschen. Nichts flog orientierungslos im All herum, nichts war sinnlos, nichts ohne kreative Bezüge zum Ganzen. Gott schaute liebevoll und mit großem Wohlwollen auf seine Schöpfung. Seine Liebe und Weisheit hatte für alles den richtigen Platz gefunden.
Unordnung – die kam erst in die Welt, als der Mensch begierig das beäugte, was ihm anzurühren und zu konsumieren verboten war. Diese Einsicht ist heute buchstäblich brandaktuell angesichts der fundamentalen globalen Krisen, in denen wir festzustecken drohen.
Aufräumen, sich im Kleinen wie im Großen den Unordnungen stellen. Platz schaffen, Nein sagen zu dem, was nicht gut tut, aussortieren, was in Zukunft keinen Raum einnehmen und keinen Blick mehr verstellen darf; und nur das behalten, was nachhaltig glücklich macht, was mir, den anderen, Gott und der Schöpfung dient.
Dann können wir vielleicht irgendwann einmal sowohl profan mit Blick auf die Sockenschublade als auch spirituell mit Blick auf die eigene Seele und den Zustand der inneren und äußeren Welt sagen: Gott sei Dank. Endlich alles in Ordnung!