"Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
fremd wie dein Name sind mir deine Wege."
So beginnt ein Lied des niederländischen Dichters und Schriftstellers Huub Oosterhuis. Im letzten Herbst war ich noch zu Besuch in seiner Amsterdamer Gemeinde "Ekklesia Amsterdam". Die hatte Huub Oosterhuis, damals Jesuitenpater, als katholischer Studentenpfarrer in den 60er Jahren gegründet. Dann heiratet er 1970, muss seinen Orden und die Stelle verlassen. Er tritt aus der Katholischen Kirche aus. Seine Gemeinde will ihn nicht gehen lassen. Sie macht sich quasi selbstständig, und existiert seitdem außerhalb der verfassten Kirchen.
Am Ostersonntag 2023 ist Oosterhuis in seiner Heimatstadt Amsterdam mit 89 Jahren gestorben. Er war nicht nur Theologe, er hatte auch niederländische Sprache und Literatur studiert. Er war Schriftsteller, Dichter und Denker. Als Dichter hat er seit den 1950er-Jahren Dutzende von Gedichtbänden veröffentlicht. Er hat auch Texte und Lieder für Gottesdienste in niederländischer Sprache geschrieben. Viele davon sind ins Deutsche übersetzt und einige finden sich in den aktuellen Gesangbüchern der evangelischen und katholischen Kirche. Dieses hier z.B:
"Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen."
Das könnten auch meine Worte sein, wenn ich sie denn formuliert hätte. Huub Oosterhuis konnte das. Und hat dadurch vielen gläubigen und suchenden Menschen aus der Seele gesprochen. Mit leeren Händen da zu stehen, das ist für ihn kein Versagen sondern einfach nur das ehrliche Bekenntnis eines Menschen, der es schwer hat mit sich selbst und seinem Gott. Für ihn war das Fragen immer wichtiger als das Formulieren von theologischen Gewissheiten.
Die Bibel spielt eine ganz wichtige Rolle in seinen Texten. Nicht als fertiges und unerschütterliches, vom Himmel gefallenes Wort Gottes und als Beleg für eine jahrhundertelang unverrückbare kirchliche Lehre. Für ihn ist sie ein "Buch von Menschen über Menschen", eine "unvollendete Geschichte".
Von all dem hatte ich keine Ahnung, als ich als Jugendlicher im Chor meiner Gemeinde seine Lieder sang. Die tauchten im damals neuen Gotteslob auf und waren so erfrischend anders. Da heißt es:
"Solang es Menschen gibt auf Erden, solang die Erde Früchte trägt,
solang bist du uns allen Vater, wir danken dir für das, was lebt."
Wir haben damals diese Lieder mit Begeisterung gesungen, nicht nur weil sie neu waren, sondern wohl auch, weil wir irgendwie spürten, wie befreiend anders die Sicht war, aus der Oosterhuis schrieb. Heute bin ich unendlich dankbar dafür, denn ich weiß, wie wichtig seine Texte nicht nur für meinen suchenden und fragenden Glauben geworden sind.
"Von Zweifeln ist mein Leben übermannt, mein Unvermögen hält mich ganz gefangen. Hast du mit Namen mich in deine Hand, in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben? Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?
Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?"
Fragen, immer wieder Fragen. Doch hinter ihnen spüre ich den tiefen Glauben dieses Mannes. Den Glauben an einen Gott, dem er seine bohrenden Fragen nicht erspart. Und von dem er trotzdem sagen kann:
"Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete."
Was für ein schöner Satz. So möchte ich auch glauben können, wie der holländische Dichter: Gott ist der Atem in mir, wenn ich bete. Bei allem Zweifeln, Fragen und Suchen nach dem unbegreiflichen Gott heißt das doch ganz einfach nur: Hab keine Angst, er ist immer schon da.