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Auf der Suche nach irgendwas

Morgenandacht, 22.02.2025

Peter-Felix Ruelius, Schlangenbad

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Mit einem roten VW-Bus fahren drei Männer durch die Welt. Seit Jahren, seit Jahrzehnten. Ein Kameramann, ein Tontechniker und schließlich einer vor Kamera und Mikrofon. Und heraus kommen Reportagen, die wunderbar unspektakulär sind. "Gernstl unterwegs" heißt das Format. Franz Xaver Gernstl ist darin der Reporter, der auf diese Weise 40 Jahre lang unterwegs war, bis zum Jahr 2024 mit immer neuen Folgen. 40 Jahre – in solchen Zeiträumen denkt ansonsten nur die Bibel. Unzählige Stunden an Filmmaterial sind zusammengekommen, mit mehreren tausend Gesprächspartnern. Der Aufbau dieser Reportagen ist relativ einfach und das Drehbuch schreibt der Zufall. Der ist überhaupt wichtig. Menschen laufen dem kleinen Team zufällig über den Weg, manchmal klopft das Team an Türen und dann kommt Franz Xaver Gernstl ohne viele Worte zu machen ins Gespräch mit Menschen und lässt sie vom Leben erzählen.

Ganz zum Schluss der Reihe gibt es aus dem vergangenen Jahr auch noch einen Kinofilm dazu: Gernstls Reisen auf der Suche nach irgendwas. Irgendwas. Eigentlich geht es immer um die Suche nach dem, was Menschen zufrieden leben lässt, es geht um Glück abseits der Hochglanzbilder, um originelles Leben, unspektakuläres Leben. Was sich eben so ergibt. Und es geht immer um die Suche nach dem Glück und nach dem, was Menschen dafür halten.

Da gibt es einen, der sammelt Luxus-Oldtimer und einen anderen, der wie ein Einsiedler in den Bergen das denkbar einfachste Leben lebt. Da gibt es den schweigsamen Bauern im Allgäu, der auch vor der Kamera so herrlich beharrlich schweigt und es gibt den ehemals Obdachlosen, der inzwischen eine winzige Bleibe hat und darin entdeckt, was Glück ist. So viele Geschichten, so viel Leben.

Menschen erzählen von ihrem Leben, weil sie offensichtlich erfahren, dass jemand ernsthaft interessiert ist an ihnen, ihnen zuhören will, weil er auch ein bisschen davon verstehen will, wie Leben geht. Das ist das erste, was ich beim Zuschauen lerne: Verstehen, wie Leben geht, gelingt nur dann, wenn ich zuhöre und wenn der, dem ich zuhöre merkt, dass ich ihn nicht bewerte, ihn nicht einordne. Zuhören ohne Vorurteile, das ist eine Kunst, von der ich selbst auch immer mehr brauchen könnte.

Das zweite ist dann vielleicht so etwas wie ein Ergebnis: Was ist denn eigentlich gelingendes Leben – und gibt es möglicherweise ein Rezept dafür?

"Auf unseren Reisen", so sagt Gernstl es am Ende des letzten Films, "haben wir allerhand Leute getroffen: Was wir gelernt haben: Das Leben ist, wie es ist. Da kannst du dir noch so viele Gedanken darüber machen, wie es eigentlich sein sollte. Am Ende ist das Leben eine Aneinanderreihung von Zufällen. Mir scheint, die ganze Kunst ist, sich mit den Zufällen anzufreunden und etwas daraus zu machen, dem Glück eine Chance zu geben, wenn es mal an die Tür klopft."

Mehr kommt nicht heraus? Nein, mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Sich mit den Zufällen anfreunden und dem Glück eine Chance geben, wenn es mal an die Tür klopft. Ist das ein Lebensrezept? Es ist, wenn man die Spuren der Menschen verfolgt, die das Team rund um Franz Xaver Gernstl vor der Kamera hatte, ein Weg. Auf dem kann man in seinem Leben so in etwa die richtige Spur finden, die eigene, unverwechselbare. Und vielleicht, wenn ich nicht nur Zufälle in meinem Leben entdecke, sondern auch so etwas wie Fügungen, die mir entgegenkommen, dann ist das tatsächlich ganz schön viel.

Über den Autor Dr. Peter-Felix Ruelius

Dr. Peter-Felix Ruelius, geboren 1964, ist Theologe und leitet gemeinsam mit einer Kollegin den Bereich Christliche Unternehmenskultur / Ethik bei den Franziskanerbrüdern vom Hl. Kreuz. Als Trainer, Supervisor und Coach begleitet er Menschen in ihren beruflichen Herausforderungen und Entwicklungen. Peter-Felix Ruelius war lange Zeit als Religionslehrer in Fulda tätig und arbeitete mehrere Jahre in der Lehrerfortbildung.