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Woche für das Leben

Morgenandacht, 22.04.2023

Pfarrer Dr. Christoph Seidl, Regensburg

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"Ist das alles zum Davonlaufen!" So geht’s mir manchmal, wenn mir die Arbeit und die komplizierten Geschichten des Alltags über den Kopf wachsen. Zum Davonlaufen! Das wäre mir in der Tat oft am liebsten: Mich einfach aus dem Staub machen und hoffen, dass sich die Probleme in der Zwischenzeit von selbst regeln. Mir ist klar, dass das alles Gedankenspiele sind, doch manchmal wirkt so ein kleiner Wutausbruch einfach Wunder! Danach geht’s mir besser.

Leider ist das aber nicht immer so einfach. Manche Menschen erleben eine Anhäufung von Problemen und schwierigen Bedingungen, die ihnen so ausweglos erscheinen, dass Davonlaufen nicht mal mehr als Lösung in Frage kommt. Und es ist nicht so, dass sich solche großen Sorgen nur bei großen Leuten zusammenballen. Jugendliche sind davon bisweilen auch sehr stark betroffen, gerade in den letzten zwei, drei Jahren mit den Erfahrungen von der Corona-Pandemie über den Klimawandel bis hin zum Ukraine- Krieg.

In einer Online-Beratungs-Plattform der Caritas kam zum Beispiel folgende Nachricht an: "Hi, ich bin 13 Jahre alt und mir geht’s wirklich nicht gut. Ich habe Probleme mit dem Essen, also ich esse nicht wirklich was, ich ritze mich, ich habe Suizidgedanken und bekomme sie nicht los. Ich bin verzweifelt und sehe keinen Weg mehr, der weiterführt. LG Jona."

Solche Hilfeschreie sind in den letzten Monaten und Jahren häufiger geworden, viele davon sind Jugendlichen leider auch im Hals stecken geblieben und vom Umfeld nicht entdeckt worden. Deshalb widmet sich die jährliche ökumenische "Woche für das Leben" in diesem Jahr den existenziellen Krisen der jungen Generation. Die bundesweite Eröffnungsfeier ist heute in Osnabrück.

Eine Woche lang finden in vielen Städten und Kirchengemeinden Veranstaltungen statt, die das öffentliche Bewusstsein auf die psychischen Belastungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen lenken. So sollen auch Angebote bekannt gemacht werden, die jungen Leuten in ihrer Krise helfen können. Dazu gehören z.B. im digitalen Zeitalter Handyapps, um Hilfsangebote schnell aufzufinden.

Ich glaube aber, nachwievor ist es die beste Lebenshilfe wenn junge Menschen Erwachsene an der Seite wissen, die zum vertrauensvollen und unaufgeregten Gespräch zur Verfügung stehen. Ein sehr schönes biblisches Bild findet sich dazu im letzten Kapitel des Lukasevangeliums. Da wird von zwei Jüngern erzählt, die damals, nach dem Tod ihres Freundes Jesus alles zum Davonlaufen fanden und sich auch tatsächlich auf den Weg gemacht hatten, Jerusalem zu verlassen.

Sie sind unterwegs zu dem Ort Emmaus und voller Klage und Verzweiflung weil ihr Lebenskonzept plötzlich aus den Fugen geraten ist. Irgendwann gesellt sich ein Dritter zu ihnen und stellt interessierte aber scheinbar völlig ahnungslose Frage zu ihrem Gesprächsthema. Zunächst erkennen sie nicht, dass der auferstandene Jesus selbst die beiden ins Gespräch verwickelt hat. Es tut ihnen aber gut, über all die schrecklichen Dinge der letzten Tage sprechen zu können und so die traumatischen Erlebnisse zu bearbeiten.

Erst später wird ihnen klar, wie hilfreich diese Aussprache war – noch dazu vor einem Fremden, in dem sie nachträglich Jesus erkennen. Was für die Jünger damals eine neue Perspektive in ihr Leben gebracht hat, kann auch heute neue Perspektiven eröffnen: Gespräch und Begleitung als Lebenshilfe! Es kann unglaublich guttun und einen neuen Weg eröffnen, wenn man sich in einer Krise jemandem anvertrauen kann. Das ist viel besser als davonzulaufen!

Über den Autor Christoph Seidl

Pfarrer Christoph Seidl wurde 1967 geboren. Er stammt aus Regensburg und ist seit 1992 Priester im Bistum Regensburg. Nach der Kaplanszeit in Straubing arbeitete er in der Priesterausbildung mit und war Studentenpfarrer in Regensburg. Pfarrer Seidl ist als Seelsorger für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen im Bistum Regensburg tätig und als Gemeindeseelsorger in Regensburg – Harting.

Kontakt: seidl@seelsorge-pflege.de