Nie werde ich diese Stille vergessen. Es war im März 2013. Gerade war Papst Franziskus zum Oberhaupt der Katholischen Kirche gewählt worden und ich stand inmitten der Zehntausenden auf dem Petersplatz in Rom als der neue Papst erstmals auftrat und sich auf der Loggia des Petersdomes vor uns allen verbeugte. Denn gerade hatte er darum gebeten, dass wir in diesem Moment für ihn beten sollten. Und dann folgte diese unglaubliche Stille. Eine riesige Menschenmenge, die gemeinsam schweigt. Noch immer habe ich das einzige Geräusch dieses Moments im Ohr: Das Plätschern eines weit entfernten Brunnens. Das ging mir unter die Haut: Es war eine Mischung aus Ehrfurcht, Erstaunen und Liebe – ja Liebe. Da bat dieser Mann, dem alle zujubelten, dass wir für ihn beten. Papst Franziskus nannte es damals, "das Gebet des Volkes, das für seinen Bischof um den Segen Gottes bittet".
Für mich ist in dieser Episode ganz viel von dem zusammengefasst, wofür Papst Franziskus stand und was von ihm bleiben wird. Da ist zunächst die Botschaft: wir sind miteinander unterwegs. Schon an diesem ersten Abend auf der Loggia sprach er von sich selbst nicht als neuem Papst, sondern als neuem Bischof von Rom, dem der Vorsitz der Liebe zukomme. Für diese Bedeutung seines Amtes wollte er stehen: an Gottes Liebe erinnern, die sich hinunterbeugt, gerade zu denen am Rand der Gesellschaft. Unvergessen seine Besuche am Gründonnerstag im Gefängnis, als er den Häftlingen symbolisch die Füße wusch. Seine allererste Reise als Papst machte er ganz bewusst zur Flüchtlingsinsel Lampedusa, um seine Solidarität mit den Geflüchteten zu zeigen.
Von seinen Texten wird vielleicht das Lehrschreiben "Amoris laetitia" am meisten für Franziskus stehen. In einem ganz einfachen Stil, den man von päpstlichen Schreiben bis dahin nicht kannte, schreibt er da über die Liebe zwischen Menschen und dabei einfühlsam würdigend über die ganz unterschiedlichen Lebens-Wirklichkeiten, voller Freude, Dramen und Träume und von der Gefahr vermeintlicher Idealbilder, die oft eher Bürde als Hilfe seien. Er sprach vom Wert der Zärtlichkeit in Beziehungen und von den drei Schlüsselwörtern für die Familie, die da lauten: "Bitte! Danke! Und: Entschuldige!" Die Rolle der Kirche sei nicht die, Moral und Vollkommenheit einzufordern, sondern Liebende zu begleiten, aufzurichten und dabei zu helfen, das Beste zu geben.
Die Kirche nah am Menschen, dafür stand Franziskus. Er wetterte gegen im Vordergrund stehende Äußerlichkeiten, die die Kirche starr und unbeweglich machten. Auch hier mahnte er den Vorrang der Liebe an, die – vom Glauben durchdrungen –, kreativ mache und den Weg zeige.
Solche Sätze hatten in progressiven Kreisen große Hoffnungen geweckt, dass dieser Papst nun endlich die von ihnen schon lange geforderten Reformen angehen würde. Sie kamen so nicht, denn auch den mit Vehemenz und scheinbarer Eindeutigkeit vorgetragenen Forderungen misstraute dieser Papst. Franziskus sprach ganz neu von der "Synodalität" als Weg der Kirche. Doch in diesem Miteinander gehe es nicht darum, mit vorgefertigten Vorstellungen in einen Gesprächsprozess zu gehen. Der richtige Weg zeige sich erst in echter Begegnung, im Einander-Zuhören und auch –Zumuten der Unterschiede, um darin den Geist Gottes zu erspüren, der nicht mit dem Zeitgeist verwechselt werden dürfe.
Franziskus war nicht der charismatisch-wortgewaltige Anführer. Er war der zugewandte Papst an der Seite der Armen, der es verstand mit einfachen Worten und Gesten Herzen zu öffnen und dabei stets an die Liebe zu erinnern.