"Der Anfang von allem Übel ist die Geldgier." Dieser Satz stammt nicht aus einem aktuellen Spruchkalender, er ist 2000 Jahre alt. Er ist im Brief eines frühen Christen zu finden, Polykarp ist sein Name. Er war Bischof in Smyrna in der heutigen Türkei, damals im 2. Jahrhundert, hoch anerkannt als Sprecher der Kirche Asiens, praktisch so etwas wie ein Papst für den ganzen asiatischen Raum.
Schon damals war es offenkundig ein Hauptproblem mit der Habsucht und Gier, mit diesem verflixten Teufelskreis von Mehr-Kriegen-Müssen und Zu-Kurz-Kommen. Welch fatale Folgen das sogar in der Weltpolitik haben kann, müssen wir derzeit im Putinkrieg gegen die Ukraine miterleben: gekränkte Eitelkeit und die Gier nach mehr Land und Gewinn. "Anfang allen Übels ist die Geldgier." Das gilt für maßloses Gewinnstreben im Großen, das gilt für Habsucht im Kleinen. Und immer geht es auf Kosten anderer und schafft Unfrieden, bis hin zu solch grauenhaften Kriegen wie jetzt.
Warum komme ich auf diesen doch weithin unbekannten Polykarp zu sprechen? Nun, er steht Pate für jene typisch christliche Art, Alternativen zu leben. Heute feiert die katholische Kirche seinen Todestag. Und solche Gedächtnisarbeit ist wichtig, eine Kraftquelle für heute. Dieser Polykarp muss ein starker Zeuge christlicher Widerstandskraft gewesen sein. Bloß ein einziger Brief von ihm ist erhalten geblieben. Und darin macht er den Mitchristen im nordgriechischen Philippi Mut und warnt leidenschaftlich vor Habsucht und Geldgier – offenkundig schon damals ein brandgefährlicher Virus.
Entschieden plädiert Polykarp für ein Zusammenleben in Solidarität und Hilfsbereitschaft, ganz auf der Spur Jesu. Denn wer an Gott glaubt, ist dadurch so reich beschenkt, dass er die Angst um sich selbst verliert. Wer innerlich ganz im Frieden ist, kann empfangen und vor allem teilen. Nicht die verkrallte oder grabschende Hand ist sein Markenzeichen, nein die offene Hand.
Polykarp steht für den Menschentyp des Evangeliums, der auf der Spur Jesu ist: durchdrungen von Gottes Liebe, kann er dankbar empfangen und durchaus genießen; und ebenso kann er sich für andere und anderes einsetzen und verschwenden, was weiterführt. So viel Freiheit hat er gefunden, so viel Freigebigkeit.
Das steht bei überzeugenden Christenmenschen wie Polykarp aber nicht nur auf dem Papier. Es wird beglaubigt im Leben. Martyrium nannte man das, Lebenszeugnis mitten im Alltag schon, mutig und widerständig und wenn es sein muss, bis aufs Blut. Polykarp hatte sich geweigert, den römischen Kaiser wie Gott anzubeten und Kaiserstatuen zu verehren.
Genauso wie er den Kult um Geld und Kapital ablehnte, lehnte er politische Macht ab, die sich selbst glorifiziert. Deshalb angeklagt, antwortet er dem römischen Statthalter, wohl wissend, dass es ihn das Leben kostet: "86jährig diene ich ihm; und er hat mir nie ein Leid getan; wie könnte ich meinen König lästern, der mich erlöst hat?" So glaubte er an Gott. Solche Widerstandskraft kann beeindrucken und ist über die Jahrhunderte hin aktuell.
Denn seit dem gestrigen Aschermittwoch ist die österliche Bußzeit im Gange. Und an deren Ende steht das Taufversprechen, mitten in der Auferstehungsfeier. Die Fragen lauten dann genau so wie zu Polykarps Zeiten: "Widersagst du dem Bösen und all seiner Faszination? Glaubst du an Gott, an Jesus Christus, an seinen Heiligen Geist?"
Ausdrücklich erwartet wird ein klares Bekenntnis, kein Wischi-Waschi, kein fauler Kompromiss. Wenn etwas heutzutage wichtig ist, dann sind es klare Positionen – jedenfalls für Christen. Gerade weil ihnen am Dialog mit anderen liegt, müssen sie Flagge zeigen.
"Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen", heißt es schon in der Bergpredigt. Der heilige Bischof Polykarp aus der Türkei hat Recht: "Anfang allen Übels ist die Gier".