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Mit Gott reden wie mit einem Freund

Morgenandacht, 23.08.2023

Schwester Aurelia Spendel, Augsburg

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"Wir müssen reden" – das kann eine eher ungemütliche Problemanzeige sein, alles andere als eine offene Einladung zu einem partnerschaftlichen Gespräch, einem kollegialen Meeting. Ein Gefühlsgewitter liegt in der Luft, jemand hat einen ärgerlichen Fehler gemacht, das Team einen Auftrag "versemmelt", die Freundin will sich trennen.

"Wir müssen reden" – dahinter lauert gewollt oder ungewollt ein gut getarntes Machtgefälle, eine Kampfansage. Ein Mensch will mich zwingen, mit ihm in die Auseinandersetzung zu gehen. Er will eben nicht mehr mit sich reden lassen. Das "Wir müssen reden" verkommt zur scheinheiligen sprachlichen Farce. Ein echtes "Wir" gibt es nicht.

Ehrliches Miteinanderreden bedeutet, Verbundenheit zu bejahen; zusammen in die gleiche Richtung zu schauen auf ein gemeinsames Ziel hin. Da sind zwei, die wollen, dass es im Betrieb, in der Ehe, in der Nachbarschaft gut läuft. Sie akzeptieren, dass die Verschiedenartigkeit von Menschen Raum haben darf, dass ihre einander widersprechenden Bedürfnisse je ihre Berechtigung haben. Beide suchen gemeinsam nach gegenseitigem Verstehen, auch wenn es im Endeffekt nur zu einem wohlwollenden Nebeneinander reicht.

Die heilige Teresa von Avila ist eine kluge Ratgeberin in allen Situationen des „Wir müssen reden“. Das Spanien des 16. Jahrhunderts, in dem sie lebte, wirkte und starb, war gewalttätig, machtversessen. Es verjagte und vernichtete, was sich gegen die herrschenden politischen Doktrinen stellte. In der Kirche zur Zeit Teresas sah es nicht besser aus. Sie drohte mit dem Höllenfeuer als ewiger Strafe für Vergehen und predigte viel zu oft ein angsteinflößendes, übermächtiges Gottesbild.

Teresa war eigensinnig, klug und kreativ. Sie wollte ihre Welt mitgestalten und sich nur einem unterordnen: ihrem Gott, den sie gesucht und gefunden hatte und den sie liebte. Religiöses Plappern statt Beten aus der Tiefe der Seele stieß sie ab. Sie wollte einen lebensbejahenden geistlichen Austausch. So fand sie den Weg des „Betens aus dem Innersten des Herzens“. Teresa lernte mit Gott zu reden wie mit einem Freund. Über alles und jedes konnte sie mit ihm sprechen, ihm alles anvertrauen. Sie fand ihn im Alltag, buchstäblich "zwischen den Kochtöpfen", wie sie es selbst einmal nannte. Denn auch dort betete Teresa, genauso wie in den feierlichsten und in den traurigsten Momenten ihres Lebens.

Ein solches Gottesgespräch, im Alltag, an Hoch- oder Tiefpunkten des Lebens tut jeder Seele gut. Man braucht keine konkrete Antwort. Allein die Vermutung, dass jemand da ist, wenn auch nur vielleicht, genügt. Das ist viel, viel mehr als nichts.

"Wir müssen reden" ist seit der Erfahrung Teresas mit Gott wie eine Einladung an jeden Menschen. Ob und wenn ja, wie wir an Gott glauben, tut nichts zur Sache. Ihm ist es wichtig, dass wir handeln und entscheiden, als wären wir mit ihm im Gespräch wie mit einem Freund, der uns unendlich viel bedeutet und dessen Urteil wichtig ist.

Geschichten werden wahr im Erzählen. Beten wird zur Kraft, die verändert. Natürlich wird die Lüge nicht zur Wahrheit, wenn man sie ausspricht; das Gebet wird im Beten nicht zur magischen Zauberformel. Aber die Welt wird anders, die innere wie die äußere, wenn Menschen versuchen, miteinander und mit ihrem Gott so vertrauensvoll zu reden, wie mit einem Freund.

Über die Autorin Schwester Aurelia Spendel

Sr. Aurelia Spendel OP, Dr. theol., wurde 1951 geboren. Sie ist Dominikanerin und lebt in Augsburg.

Kontakt: aurelia.spendel@t-online.de