Im Märchen vom Rumpelstilzchen will ein Bauer seine Tochter an einen habgierigen König verheiraten und lockt ihn mit der Behauptung, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen. In ihrer Verzweiflung verspricht die junge Frau einem zwergenhaften Männchen, das für sie diese unmögliche Aufgabe erledigen will, neben Kette und Ring auch ihr erstes Kind. Als es seinen Lohn verlangt, versucht sie es umzustimmen.
Das Männchen lässt sich auf einen Handel ein: Wenn sie ihm in drei Tagen seinen Namen sagen könne, gäbe er das Kind frei. Die Königin erfährt seinen Namen mit Hilfe eines fremden Boten - Rumpelstilzchen. Und als sie dem Männchen seinen Namen nennt, zerreißt es sich aus Wut über diesen unerwarteten Ausgang und Königin und Kind sind frei.
Rumpeln und pumpeln spielen im Märchen eine wichtige Rolle. Manchmal scheint das ganze Leben oder einzelne seiner Bereiche zu einer Art psychischer oder sozialer Rumpelkammer geworden zu sein. Beziehungen haben sich verbogen. Träume verstauben unter dem Einerlei des Alltags. Für eine einst blühende Fantasie gibt es keinen rechten Platz mehr. Mit den abgewetzten Hoffnungen weiß niemand mehr etwas anzufangen. Unheimliches, mit Scham Besetztes rumpelt durch die Gedanken, brummelt im Bauch, vernebelt die Handlungsfreiheit und lähmt die Motivation zu einem ersten Schritt bis zur Erstarrung.
Das Geheimnis der Erlösung aus den Unordnungen des Lebens liegt in der Nennung des rechten Namens. Im Märchen heißt er "Rumpelstilzchen". Im echten Leben kann es weh tun, den rechten Namen zu auszusprechen, denn er heißt "Wahrheit".
Ja, auf Tante Gerties Hochzeitsgeschenk hatte ich mich richtig gefreut, am Ende war es eine Riesenenttäuschung.
Die Beziehung zur besten Freundin ist zerbrochen. Sie will mich nicht mehr und ich sie – wenn ich ehrlich bin – auch nicht mehr. Der Traum von der eigenen Praxis ist zerbröselt, ich habe die Entscheidung verbummelt, als es Zeit dafür war.
Belastendes, Zerbrochenes zu verabschieden braucht Kraft und Entschlossenheit, Mut, um Hilfe zu bitten und die Demut, sie anzunehmen. Aber wenn ich weiß, dass ich auf Dauer nicht mit Rumpeligem und Pumpeligem leben will, mache ich die Augen auf und schaue mir an, was da an Hindernissen wie eine Mauer vor mir steht und mein Selbstvertrauen niederdrückt.
Die Kraft dazu, Belastendes zu verabschieden, schenkt mir persönlich eine Erfahrung, die Menschen vor Jahrtausenden und seitdem immer wieder mit Gott gemacht haben. Im biblischen Psalm 18 steht: "Mit meinem Gott überspringe ich Mauern." Der Psalm spielt an auf Israels Erfahrungen mit Kampf und Krieg, mit Eroberung und Verlust. In dieser bedrohlichen Situation spürt der Beter: Ich brauche jemanden, der mir hilft. Sein Gegenüber ist Gott, auf ihn setzt er seine Hoffnung und erfährt: Mit meinem Gott überspringe ich Mauern.
Dieser hilfreiche Gott schenkt Ermutigung auch für die banalen Probleme unseres Alltags. Seinen Zuspruch sehe ich gespiegelt im Vertrauen von Menschen, wenn Sie davon erzählen, wie sie Gottes Hilfe in ihren Problemsituationen erfahren haben. Ihr Vertrauen hilft mir, Platz zu schaffen für das, was wie ein neugeborenes Kind in meiner Welt groß werden will. Es ermächtigt auch mich, über die Mauern zu springen – oder vorsichtig darüber zu klettern –, die zwischen mir und dem Rumpeligen in meinem Leben stehen. Ich schaue das ohne Angst an, dessen wahren Namen ich nennen muss, damit es an seinen richtigen Platz kommt – wohin auch immer.
Die Einladung, mit Gott Mauern zu überspringen, gilt Ihnen wie mir, damit aus der verzweifelten Bauerntochterseele eine strahlende Königin wird.