In meinem Bücherregal gibt es eine eigene Abteilung mit Weihnachtsliteratur: Abhandlungen zur Theologie dieses Festes, Kunstbände und vor allem Lesebücher. Sie alle laden ein, mit Geschichten, Gedichten und Liedern, manchmal auch mit Rezepten, es sich gemütlich zu machen und sich Weihnachten allmählich anzunähern. Bereits im November habe ich meine Sammlung durchstöbert und ich bin auf einen Titel aufmerksam geworden, den ich bisher übersehen hatte: "Wenn es Weihnachten wird ...". Immer wieder habe ich diesen Halbsatz in meinen Gedanken hin und her gewendet und ergänzt:
"Wenn es Weihnachten wird", … dann beginnt wieder die große Geschäftigkeit mit Einkäufen für das Weihnachtsessen, die Ratlosigkeit und Hektik wegen der Geschenke und mindestens einmal am Tag ertönt irgendwo "Last Christmas"; der kommerziellen Überfrachtung des Festes kann man nicht entrinnen. Das ist mir zuerst in den Sinn gekommen.
"Wenn es Weihnachten wird", … habe ich überlegt, dann wächst die Vorfreude: Viele Familien und Freunde kommen zusammen zur Feier dieses Festes und sie werden miteinander essen, singen, erzählen und spielen. Vielleicht besuchen sie auch nach alter Tradition einen Gottesdienst. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Weihnachten in Gemeinschaft zu erleben.
"Wenn es Weihnachten wird", … da tauchen aber auch Befürchtungen auf: Wie werden wir das miteinander aushalten über die Feiertage? Sich nahe zu sein, ohne einander zu nahe zu kommen – das ist nur ein Balanceakt von vielen anderen.
"Wenn es Weihnachten wird", … da werden außerdem Erinnerungen wach: an den Kindergottesdienst, bei dem Sohn und Tochter damals so selbstverständlich ihren Stern zur Krippe gebracht haben oder an den Heiligabend, als wir einen Gast aus Nigeria eingeladen hatten.
Bei all dem, was mir eingefallen ist, stand am Ende immer wieder der eine Vorsatz: Ich will mich nicht an Spekulationen abarbeiten oder in Nostalgie abtauchen, sondern realistisch, besonnen und in aller Ruhe auf dieses Fest zugehen. Denn mir als Christin ist es wichtig, dass wir an Weihnachten nicht uns selbst feiern und wie perfekt wir das alles hinbekommen können. "Wenn es Weihnachten wird", dann feiern Christen, dass Gott Mensch wird: Im Jesuskind in der Krippe ergreift Gott die Initiative und macht sich klein und verletzlich; Gott lässt sich ganz und gar ein auf das Leben der Menschen mit allen Konsequenzen.
Verstandesmäßig lässt sich das nicht erklären, es ist ein Wunder, über das man staunen und sich freuen kann. Und man kann sich die Aufforderung zu Herzen nehmen, die der kürzlich verstorbene frühere Bischof Franz Kamphaus geprägt hat: "Mach's wie Gott – werde Mensch!"
Was es bedeutet, Mensch zu werden und zu sein, lässt sich am späteren Leben des Jesuskindes abschauen. Jesus war Mensch ganz im Sinne Gottes, frei und befreiend, aufrichtig und aufrichtend, einer der Gutes tut, weil er die Menschen, denen er begegnet, als seine Brüder und Schwestern liebt.
Heute am 24. Dezember ist Weihnachten ganz nahe gekommen und da kann Menschsein auf diese Weise konkret werden: Interesse haben an den anderen, die Sehnsucht nach guten Erfahrungen lebendig halten, Positives wahrnehmen, freundlich sein zu sich selbst und dankbar sein für alle Zeichen der Liebe. Vieles, woran momentan noch nicht zu denken ist, ergibt sich dann von selbst. "Wenn es Weihnachten wird", ist das eine gute Gelegenheit, mit dem Menschwerden auf's Neue zu beginnen, damit Zusammenhalt und Solidarität Bestand haben – nicht nur zur Weihnachtszeit.