Ich habe mich allein, verlassen und nutzlos gefühlt. Nicht schön. Eher so, dass ich dachte: Das war’s jetzt. Weil ich nicht mehr konnte und keinen Sinn mehr in dem sah, was ich zu tun hatte. Und das Schlimmste dabei war: Ich hab‘ mich auch von Gott verlassen gefühlt. Wie ein übrig gebliebener Mensch auf der Müllhalde des Glaubens. Mit mir war nichts mehr anzufangen. Ich war ausgelaugt, erschöpft, todmüde.
Ich war damals 45, hatte mir viel Verantwortung auf die Schultern geladen, und gleichzeitig schien nichts mehr voranzugehen. Tag für Tag der gleiche Trott. Schon morgens im Bett das Gefühl: Da liegt noch so viel auf meinem Tisch, was nicht abgearbeitet ist, ganz zu schweigen von dem, was heute Neues dazu kommen wird. Wie soll ich das bloß schaffen? Dann ist mein Vater unerwartet und ganz schnell an Krebs gestorben. Bei mir zuhause. Ich wollte nicht, dass er im Krankenhaus stirbt. Anschließend sind nochmals drei Monate vergangen. Bis ich schließlich nicht mehr konnte.
Da hatte ich mich gefühlt wie der Prophet Elija am Berg Horeb. Die Bibel erzählt seine Geschichte, wie er sich von Gott verlassen fühlte: allein und nutzlos.
Ich war zwar kein Prophet, aber eben doch einer, der die Rechnung seines Lebens mit Gott gemacht hatte. Lange lief auch alles gut. Die Leute haben gern meine Predigten gehört, und ich war als Priester gerne bei den Leuten. Bis ich mich irgendwann selbst nicht mehr hören konnte. Und was noch schlimmer war: bis ich mich eben nicht mehr gespürt habe. Als ob da ein Fremder in meinem Leib stecken würde.
Bei Elija war es so: Er hat sich in den Dienst Gottes gestellt – wie man so schön sagt – also auf das gehört, was Gott ihm eingab, und es dann öffentlich weitergesagt. Ohne etwas zu beschönigen, radikal. Dass es nur einen Gott gibt, auf den es sich lohnt, zu hören, weil er barmherzig ist und die Not des Einzelnen sieht, vor allem, wenn er ohne eigene Schuld in Probleme hineingeraten ist. Dass Gott nicht den Tod seiner Welt will und dass er einen Namen hat: JHWH. Das war Elijas Aufgabe, sein Lebenswerk: Elija hat sich dabei bewusst gegen den Mainstream gestellt und schließlich sogar sein Leben riskiert. Dass die Leute ihn gern hatten, das war ihm überhaupt nicht wichtig. Dazu war er zu sehr von seiner Sendung überzeugt. Nur eines brauchte er unbedingt: Gott an seiner Seite. Den musste er spüren, von dem brauchte er Worte und Zeichen, die signalisiert haben: Du bist auf dem rechten Weg. Und auf einmal blieben die aus. Oder Elija nimmt sie nicht mehr wahr. Hatte er sich womöglich verrannt, war übers Ziel hinaus geschossen in seinem Übereifer? Am Anfang kann Elija das aushalten, aber irgendwann ist es zu lang, zu viel.
Elija verzweifelt, ist am Ende. Und verlangt ultimativ von Gott ein Signal. Er hofft auf etwas Großes, Mächtiges, das zur Größe des Gottes passt, an den er glaubt. Vergebens. Bis er merkt, dass dieser Gott sich in dem zeigt, was wir überhören und übersehen. In der Stille, im Schweigen, im Nichts.
Daran habe ich mich erinnert, als es mir schlecht ging, ich am Ende war. Dass Gott unerwartet anders ist, ich auch etwas anders machen muss: weniger machen, mehr sein. Neues ausprobieren, andere Prioritäten setzen. Und: Öfter schweige. Weil Gott sich gerade dort zeigt, wo ich es nicht erwarte. Dass er mir gar nie von der Seite weicht, aber mich auch nicht bedient, mit dem, was ich scheinbar brauche.