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In Herzensdingen – "Herz-Jesu-Fest"

Morgenandacht, 27.06.2025

Katharina Pomm, Apolda

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Der Laptop ist aufgeklappt und mit Strom versorgt. Der Vormittag frei von anderen Verpflichtungen. Neben mir wartet eine frische Tasse Kaffee. Jetzt müssten sich meine Finger nur noch über die Tasten bewegen. Aber sie sind schwer wie Blei. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Klotz Beton. Nichts bewegt sich.

Ich hatte mir vorgenommen, den Brief zu schreiben, der mir seit Tagen auf der Seele liegt. Ihn zu schreiben bedeutet, endlich Abschied zu nehmen. Nicht rein theoretisch sondern ganz bewusst. In meinem Kopf breitet sich eine düstere Schwere aus. Da ist so einiges, um das ich lieber einen Bogen machen würde.

Jetzt fällt Sonnenlicht auf meinen Schreibtisch. Das Blatt strahlt in seinem unbefleckten und eintönigen Weiß zu mir hoch und ich denke: "Das passt so gar nicht!" Meine Erinnerungen an den geliebten Menschen sind alles andere als unbefleckt. Und alles andere als farblos. Plötzlich stelle ich mir vor, ich hätte keinen Kugelschreiber, sondern einen Farbkasten zur Hand. "Ich fang‘ doch jetzt nicht an mit Malen, ich bin doch erwachsen", sage ich mir. Allmählich dämmert mir, warum sich mein Kopf anfühlt wie ein Klotz Beton. Der Versuch, um jeden Preis Herrin der Lage bleiben zu wollen, legt mein Herz in eiserne Ketten. Die Kontrolle behalten, bloß nicht rührselig werden! Kein Wunder, dass das Blatt leer bleibt.

Ich gestatte mir, die Farben zu denken, die auf dieses Blatt müssten: Sehr viel grün und braun für die Wälder, die wir zusammen erkundet haben. Dunkles, glitzerndes Grau für die Felsen, die wir durchklettert haben. Gelb für die tausend Blüten, die im Frühling als erste aus dem Waldboden wachsen. Tiefes, dunkles Blau für die Nachtgespräche, die wir geführt haben. Aber auch für das bleierne Schweigen, das jahrelang zwischen uns stand. Schließlich erlaube ich mir auch das Rot. In Gedanken wird es immer mehr. Ich habe diesen Menschen sehr geliebt.

Ich nehme all meinen Mut zusammen und beginne mit diesem Satz: "I make a fool of myself / in matters of the heart", singt Tracy Chapman. Ich mache mich zur Närrin / in Angelegenheiten des Herzens.

Wie wahr, denke ich. Und wie ehrlich. Tiefe Zuneigung zu einem anderen Menschen macht verletzlich. Wer bleibt da schon heldenhaft souverän?

Sich nicht selbst schon genug zu sein, die Sinne zu öffnen für die Stimme, die Worte, die Ideen eines anderen - das ist eine wunderbare menschliche Fähigkeit; sie zu verlieren oder tief zu vergraben wohl mit das Schlimmste, das einer Seele geschehen kann.

Im katholischen Festkalender ist der heutige Freitag dem "Heiligsten Herzen Jesu" gewidmet. Ein fremd-altertümlicher Name. Klingt beinahe etwas dick aufgetragen. Aber vielleicht, denke ich, ist das doch angemessen, denn es spricht davon, dass Gott ein Herz hat. So wie seine Geschöpfe. Verwundbar. Offen für das Wunderbare. Und für das Schreckliche. Ein Herz, das mitfühlt, wenn Menschen aufs Kreuz gelegt, hinters Licht geführt, zur Schnecke gemacht werden. Und das dennoch voller Erwartung ist für jeden Versuch zu lieben, zu heilen und zu leben.

Am späten Abend ist der Brief fertig. Herrin der Lage bin ich nicht geblieben. Aber mein Kopf arbeitet besser mit einem närrischen Herzen als mit einem verschlossenen. Da bin ich wohl in ganz guter Gesellschaft. Am heutigen Herz-Jesu-Fest.  

Über die Autorin Katharina Pomm

Katharina Pomm wurde im Februar 1980 in Aachen geboren. Nach dem Theologiestudium in Tübingen und Münster begann sie ihre pastorale Ausbildung und Tätigkeit im Bistum Erfurt. Nach der Arbeit in Pfarreien und Hochschulgemeinden entschied sie sich 2013 bewusst für die Klinikseelsorge. Sie arbeitet heute als Seelsorgerin, Supervisorin, sowie in der Aus- und Weiterbildung von pastoralem, pflegerischem und ärztlichem Personal. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie im thüringischen Apolda. Freiräume nutzt sie so oft es geht zum Verreisen und zum meditativen Bogenschießen.

Kontakt: katharina@pomm.de