Bullerbü ist nicht überall. Das war früher so, das ist heute so. Gerade Kinder und Jugendliche haben es heute nicht leicht. Die Trendstudie "Jugend in Deutschland" zeigt auf, dass mehr als die Hälfte der 14 – 29-jährigen unter Stress leiden. Ein Viertel fühlt sich einsam. Rund 20 Prozent leiden unter Depression. Viele blicken düster in die Zukunft:
Ich frage mich: Wie war das bei mir? Ich denke: Wir waren damals unbeschwerter, wahrscheinlich auch ahnungsloser. In meiner Heimat, auf dem Land war wirklich viel mehr "Bullerbü" – also mehr erahnbar von der in Astrid Lindgrens Kinderbuch geschilderten Idylle. Es galt aber auch: "Streng dich an. Sei fleißig, dann wird es dir einmal gut gehen." Aus heutiger Sicht eine zweischneidige Botschaft, denn nicht alles haben wir selbst in der Hand. Aber: Das war damals das Narrativ, mit dem ich groß geworden bin: Du hast deine Zukunft vor dir! Das hat mich geprägt.
Kinder brauchen von uns Erwachsenen die Zusage, dass die Zukunft prinzipiell lebenswert ist. Dass es mehr Möglichkeiten als Risiken gibt.
Und: Kinder brauchen "Hoffnungsgeschichten". Die Geschichten dazu von Astrid Lindgren habe ich über alles geliebt. Zum Beispiel die von "Michel aus Lönneberga". Michel trieb so viel Unfug, dass die Leute schon Geld sammeln wollten, um ihn nach Amerika zu schicken. Aber Michels Mutter gab die Hoffnung nicht auf, dass aus ihm etwas wird. Am Ende behielt sie auch recht. Durch Michel kam viel Hoffnung in meine Kinderwelt. Der letzte Band hieß ja auch: "Michel bringt die Welt in Ordnung".
Ich bin überzeugt: Mit solchen Erzählungen lernt man das Leben. Wer Hoffnung hat, gibt dem Guten eine Chance. Kinder spüren, welche Botschaft wir ihnen mit und ohne Worte vorleben. Wir dürfen ihnen den Mut zur Hoffnung nicht vorenthalten. Kinder brauchen Hoffnung. Psychologen sprechen davon, dass Hoffnung den Menschen aktiviert, sich auf ein Ziel zuzubewegen. Hoffnung vertröstet gerade nicht. Hoffnung mobilisiert. Sie ist eine Lebensressource. Die gilt es zu stärken. Berührend, welche Hoffnungsgeschichten mir Kinder manchmal erzählen. Und wie sie "einem am Mund kleben", wenn man ihnen Hoffnungsgeschichten erzählt – am besten aus dem eigenen Leben.
In der Bibel gibt es die berührende Erzählung des blinden Bartimäus. Kinder lieben diese Erzählung. Bartimäus schreit sich förmlich den Hals heraus, als er hört, Jesus ist in seiner Nähe. Er findet sich mit seinem Schicksal nicht ab, hofft auf Heilung. Er hofft so sehr, dass dieser Jesus ihm eine Zukunft geben kann. "Jesus, erbarme dich meiner!", schreit er. Das stört die anderen: "Sei still." – "Finde dich mit deiner Situation ab", das ist ihre Botschaft für Bartimäus. Aber Jesus hat eine andere. Er wird auf Bartimäus aufmerksam und sagt: "Ruft ihn her!" Jetzt sagen die Leute: "Hab‘ nur Mut, er ruft dich." Der Wendepunkt: Bartimäus rennt förmlich auf Jesus zu. Hoffnung mobilisiert tatsächlich. "Was willst du, das ich dir tun soll?", fragt Jesus. Bartimäus erzählt von seiner Sehnsucht. Er wird geheilt. Eine neue Zukunft beginnt.
Die Bibel ist voller solcher Hoffnungserzählungen. Hinter jeder steht die Überzeugung: Gott ist das Schicksal des Menschen nicht egal. Die ganze Schöpfung ist "auf Hoffnung hin" (Römerbrief 8,20) gerettet und hat eine Zukunft! Diese Hoffnung ist für den Christen die Basis für seine kleineren und größeren Hoffnungen des Alltags.
Solche Mutmach-Geschichten sollten wir unseren Kindern nicht vorenthalten. Kinder haben ein Recht auf Hoffnung! Und: Solche Mutmach-Geschichten tun auch uns Erwachsenen gut. Vielleicht ergibt sich heute die Möglichkeit, jemand zu sagen: "Hab‘ nur Mut!"