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Sophia

Morgenandacht, 27.12.2023

Pfarrer Jürgen Wolff, Zeitz

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"Wie findest Du eigentlich den Namen Sophia?", – meine Nichte rutscht verlegen auf ihrem Stuhl am immer noch weihnachtlich-dekorierten Esstisch hin und her. "Schön!", erwidere ich überrascht-verwirrt. "Nur schön?", kommt es leicht genervt retour. "Schön ist ein Sonnenaufgang in der Karibik!" "Oje", denke ich. "Alles muss man auf die Goldwaage legen". Und leicht um Fassung ringend höre ich mich sagen: "Sophia ist ein wirklich schöner Name!"

Sophia heißt übersetzt: Weisheit! Im antiken Judentum ist die Bedeutung dieser Weisheit mehr als Klugheit, Bildung oder vernünftiges Verhalten, es ist auch mehr als das antike, altgriechische Konzept der Tüchtigkeit. Sophia, das ist die Wesensart Gottes, sein Geist!

Dabei ist Sophia nicht nur im Deutschen weiblich. Sophia ist – so können wir es im Alten Testament der Bibel, in den Sprüchen Salomos lesen – die, die Welt und den Menschen miterschaffen hat, weil sie schon vorher da war. Heutige Wissenschaftler schätzen übrigens das Alter der Erde auf 4,4 Milliarden Jahre und den Homo sapiens auf so etwa 260.000 Jahre. Also, wenn ich das als Grundlage nehme, dann ist Sophia ziemlich alt – sieht aber noch super aus!

"Bitte!", höre ich meine Nichte protestieren. Und beschwichtigend fahre ich fort: "Die ersten Christen nannten DIESE Sophia übrigens Logos, das Wort. Und sie sangen dazu einen triumphalen Schöpfungs-Hymnus, der ungefähr so klingt, wie der Anfang der Bibel ... Du weißt: Am Anfang schuf Gott! und der Hymnus besingt dann auch das, was wir Weihnachten feiern: Gott wird Mensch! Das hast Du übrigens auch vorgestern im Gottesdienst gehört: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott!  DAS ist schön! DAS ist eigentlich das erste Weihnachtslied überhaupt."

"Schon gut", unterbricht mich meine Nichte. "Ich war anwesend!" "Oh! Anwesend, das ist ein gutes Stichwort", fahre ich fort: "Dieser Logos, dieses Wort war anwesend und ist es immer, wenn Geist zur Materie wird. Wenn sich eine Information zur DNA materialisiert, wenn ein Gedanke erst Sprache und dann stoffliche Realität wird, also, wenn alles Geschaffene entsteht. Das hatte übrigens schon Platon geahnt. Du erinnerst Dich an Deinen Philosophieunterricht? Die Substanz von allem ist die Idee."

Und ohne auf das Augenrollen meiner Nichte zu reagieren, lege ich nach: "Diese Idee hat der Evangelist Johannes so 90 nach Christus dann auf Jesus von Nazareth übertragen. Dieser Gottesgeist, dieses Weisheitswort, dieser kreative Logos ist Jesus Christus, das kleine Kind in der Krippe! Und daher sagt dieser Johannes noch in seinem Evangelium im Neuen Testament der Bibel: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Dieses Wort nimmt die Menschheit zwar nicht an und die Menschen auch nicht auf, aber der sichtlich irdisch-menschliche Jesus wird, ist und bleibt für uns Christen die bisher unsichtbare himmlische-göttliche Herrlichkeit.

Im Licht dieser Herrlichkeit können wir die Wahrheit über uns und die Nachsicht Gottes mit uns sehen. Wir können sie genauso begreifbar erleben. Und das nicht nur zu Weihnachten, wenn wir das Jesuskind in der Krippe anschauen.
Du siehst, Sophia ist ein schöner Name, mit ganz viel Bedeutung.

Aber warum fragst Du eigentlich, ob ich den Namen Sophia schön finde? Kann ich mich etwa schon freuen – auf noch eine Geburt?"

Und kühl höre ich meine Nichte über den weihnachtlich-dekorierten Tisch sagen: "Wir wollen uns einen Hund anschaffen und suchen nach Namen, die nicht so alltäglich sind." Und leicht verdutzt murmele ich in die Weihnachtsdeko: "Naja, am Anfang war der Hund. Aber Weihnachten ist ja ein Fest, an dem hoffen und wünschen Konjunktur haben!"

Über den Autor Pfarrer Jürgen Wolff

Dr. Jürgen A. Wolff wurde 1971 in Birkesdorf/Düren geboren. Nach seiner Ausbildung in Deutschland und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in England hat er über zwanzig Jahre im In- und Ausland in der Finanzbranche gearbeitet; davon die meiste Zeit in China. Im Rahmen seiner Promotion in England entschied er sich Theologie zu studieren und seiner Berufung zu folgen, Priester zu werden. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums in Erfurt begann er 2018 seine pastorale Ausbildung im Bistum Magdeburg, arbeitet nun als Diakon in Bitterfeld und bereitet sich dort auf die Priesterweihe vor. Permanent Horizonte zu erweitern, ist sein Bestreben; Energie und neue Anstöße findet Dr. Wolff durch die Literatur und in der klassischen Musik – besonders in den Werken Händels! Seit 2023 ist er Pfarrer in Zeitz.