Seit mehreren Wochen sind sie in vielen Größen und Farbschattierungen in den Baumärkten und Gartencentern im Angebot: die Christrosen. In der kalten Jahreszeit zählen diese einzigartigen winterlichen Schönheiten zu den beliebtesten Pflanzen. Nicht nur Blumenliebhaber sind fasziniert: tiefgrüne, gegliederte Laubblätter, elegante weiße Blüten, manchmal rosa überhaucht, und mittendrin die gelben Staubgefäße – so bringt die Christrose Farbtupfer in das winterliche Grau. Mitten im Winter, wenn alle anderen Pflanzen in der Kälte zugrunde gegangen sind und ruhen, da ist die Zeit der Christrose gekommen: In unwirtlichem Wetter, in Schnee und Eis blüht sie auf – ein bezaubernder Anblick.
Bereits vor unserer Zeitrechnung war die Christrose mit dem botanischen Namen "Helleborus", im Deutschen "Nieswurz", als Orakelblume bekannt, die auch böse Geister fernhalten sollte. Aufgrund ihrer Inhaltsstoffe wurde sie in der Antike als Heil- und Giftpflanze zugleich verwendet.
Seit jeher hat dieses Wunder der Natur die Menschen inspiriert. Sie haben der Christrose als Winterkönigin viele Gedichte gewidmet und sie in Liedern besungen. Und man hat sich Geschichten von dieser besonderen Zierpflanze erzählt.
Eine Legende beispielsweise besagt: Ein armer Hirte war auf dem Weg nach Betlehem, aber er hatte kein Geschenk für das neugeborene Jesuskind. Deshalb hat er bitterlich geweint. Als seine Tränen zu Boden fielen, haben sie sich in weiße Blüten verwandelt. Das war doch ein wundervolles Geburtstagsgeschenk für Jesus, das der Hirte voll Freude mit in den Stall genommen hat.
Der Dichter Eduard Mörike hat auf einem Friedhof eine Christrose gefunden. Er war so entzückt, dass er zu dieser geheimnisvollen Naturerscheinung ein Gedicht verfasst hat.
Die schwedische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf erzählt in einem Märchen davon, dass sich vor langer Zeit der Winterwald zu Weihnachten in ein Paradies verwandelt hat: Die Natur wollte so die Geburt des Jesuskindes feiern. Eines Tages gelangte ein böswilliger Mensch in die Landschaft und zerstörte dieses Weihnachtswunderland. Eine einzige Blume konnte gerettet werden: die Christrose.
Texte und Lieder verweisen darauf, dass diese Pflanze eine tiefere symbolische Ebene berührt: Die Christrose kann als ein Zeichen verstanden werden für Reinheit, für Neubeginn und Lebendigkeit. Ihre Fähigkeit, unter frostigen Bedingungen zu gedeihen und ihre Blüten zu entfalten, steht sinnbildlich für Durchhaltevermögen und Optimismus. Mit starkem Überlebenswillen drängen sich die Blüten der Christrosen aus der kalten Erde heraus und zeigen, dass auch unter harten Bedingungen etwas Schönes erblühen kann.
1967 hat der Opernsänger René Kollo ein Lied über die Christrose berühmt gemacht. Der Text stammt von Kurt Hertha, die gefühlvolle Melodie dazu hat Robert Stolz komponiert. Heutzutage ist dieses Lied nur noch selten zu hören. Das ist schade, denn es könnte gerade in unserer bisweilen sehr trostlosen Zeit Zuversicht vermitteln:
"Es blüht eine Rose zur Weihnachtszeit draußen in Eis und Schnee
und wenn's in der Winternacht friert und schneit, das tut der Rose nicht weh.
Es grünt eine Hoffnung zur Weihnachtszeit drinnen im Herzen still,
dass immer und ewig so schön wie heut Frieden werden will.
Christrose, Blume der Heiligen Nacht!
Christrose, hast mir die Hoffnung gebracht."