Vor 500 Jahren tobte in Deutschland der Bauernkrieg. Mehr als 200.000 Menschen kämpften im Frühjahr 1525 für Freiheit und Gerechtigkeit. Eine gewaltige Zahl, angesichts von nur neun Millionen Einwohnern. Der Bauernkrieg war die größte Massenbewegung in Europa vor der Französischen Revolution.
Vielerorts wird in diesem Jahr an die Ereignisse von damals erinnert. Vor allem in den Regionen, in denen die Kämpfe stattfanden. Am Oberrhein, im Elsass, in Württemberg, aber auch in Franken und Thüringen. Die Bilanz damals: 70.000 Tote!
Dabei hatte alles recht verheißungsvoll begonnen. Im März 1525 treffen sich Vertreter der schwäbischen Bauernschaft in der Reichsstadt Memmingen. Sie protestieren gegen die Willkür der adligen Grundherren, gegen immer höhere Steuern und Abgaben sowie die verhassten Frondienste. Die Bauern verlangen ein Recht auf Jagd, Fischfang und Waldnutzung. Über allem aber steht die Forderung nach Abschaffung der Leibeigenschaft. Selbstbewusst beschließt die Versammlung das Manifest der "Zwölf Artikel", eine der ersten Menschenrechtserklärungen der Geschichte! Dank des Buchdrucks verbreitet sich der Text wie ein Lauffeuer.
Das alles vollzieht sich vor dem Hintergrund der Reformation. Die beiden wichtigsten Autoren der "Zwölf Artikel" waren Anhänger Martin Luthers: der bibelfeste Kürschnergeselle Sebastian Lotzer und der Memminger Stadtprediger Christoph Schappeler. Schon im Vorwort verweisen sie auf die Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei Ägyptens. So wie Gott damals den Unterdrückten half, so wird er auch die Bauern erretten. Immer wieder verweist der Text auf Vorbilder in der Heiligen Schrift. Kein Zweifel: Die Bewegung der Bauern ist zutiefst religiös motiviert.
Luther wird, so glauben die Bauern, ihre Sache unterstützen. Schließlich hatte er doch die Bibel ins Deutsche übersetzt und in einer seiner populärsten Schriften von der "Freiheit eines Christenmenschen" gesprochen?!
Schnell aber macht Luther klar, dass er unter "Freiheit" etwas ganz anderes versteht. Frei sei der Christ dann, wenn er seinem Gewissen folge und Widerstand leiste gegen den Machtanspruch der römischen Kirche. Die Leibeigenschaft aber, so erklärt Luther den Bauern, ist ein Teil der von Gott gewollten Ordnung. Niemand darf an ihr rütteln.
Zugleich fordert der Reformator die Fürsten auf, ihre Macht nicht zu missbrauchen und sich mit den Bauern zu verständigen. Dazu aber kommt es nicht. Enttäuscht greifen die Bauern zur Gewalt. Hunderte von Burgen und Klöstern werden gestürmt.
Jetzt stellt Luther sich unmissverständlich auf die Seite der Obrigkeit. Mit drastischen Worten fordert er sie auf, die rebellischen Bauern erbarmungslos zu bekämpfen. Gegen die hochgerüsteten Söldnertruppen der Landesherren haben die Aufständischen keine Chance. Wer die blutigen Schlachten überlebt, den erwartet ein gnadenloses Strafgericht.
So wie Martin Luther Partei für die Fürsten ergreift, so unterstützt ein anderer Theologe kompromisslos die Sache der Bauern: Thomas Müntzer. Er ist überzeugt, dass Gott die Aufständischen erwählt hat, um sein Reich auf Erden zu errichten. Und das auch mit Gewalt. So führt der radikale Prediger die thüringischen Bauern in die Schlacht bei Frankenhausen. Sie endet in einem Blutbad. Tausende sterben, Müntzer wird gefangengenommen und hingerichtet.
Der Bauernkrieg zeigt die Ambivalenz der Religion. Einerseits motiviert der Glaube die Menschen, sich für Freiheit und Recht einzusetzen. Andererseits kann er missbraucht werden, wenn er zu einer Frage von Macht und Herrschaft wird. Das gilt auch heute noch – 500 Jahre danach.