"Frieden ist ein schmerzhafter Prozess." Dieser Satz hat sich mir eingeprägt. Gehört habe ich ihn auf einer Tagung zum westfälischen Frieden im vergangenen Oktober. 2023 jährte sich der Friedensschluss zum 375. Mal.
Die Kriegsparteien hatten damals in Münster und Osnabrück 5 Jahre lang verhandelt. Der Krieg ging unterdessen weiter. Alle Parteien mussten Kompromisse schließen und Entscheidungen mittragen, die für sie ungünstig waren. Und es hätte wohl keinen Frieden gegeben, wäre da nicht eine "dritte Partei" gewesen, eine Gruppe unter den Verhandlungsführern, die unter allen Umständen Frieden wollte. Diese Menschen des Friedens haben es möglich gemacht, dass in Europa nach drei Jahrzehnten Gewalt und Zerstörung wieder Frieden einkehren konnte.
Frieden ist ein schmerzhafter Prozess. Frieden bewegt uns wieder. Nachdem die Friedensbewegung über Jahrzehnte hinweg immer kleiner wurde, haben der Krieg in der Ukraine und im Gazastreifen das Thema mit Wucht auf die Tagesordnung von Politik und Gesellschaft gesetzt. Welcher Weg zum Frieden führt, ist heute genauso wenig klar, wie damals vor 375 Jahren.
Mit Gesprächen und Verhandlungen zum Frieden kommen – dass das auch in den Kriegen von heute endlich soweit ist, wünsche ich mir so sehr.
Ein vielleicht gutes Beispiel von heute stammt aus der Zentralafrikanischen Republik, einem Land zwischen Sudan, dem Kongo und Kamerun, das es normalerweise nicht bis in unsere Nachrichten schafft.
Dort haben sich die Führungspersonen der wichtigsten Religionsgemeinschaften – Muslime, evangelische und katholische Christen – zu einer interreligiösen Plattform zusammengeschlossen. Als bewaffnete Gruppen das Land an den Rand des Bürgerkriegs führten, begaben sie sich als Vertreter ihrer Religionsgemeinschaft an die Orte, wo akute Konfliktsituationen herrschten. Ohne Waffen, ohne Schutzausrüstung. Aber mit der Bereitschaft zuzuhören und mit den Menschen zu sprechen. Ihre gewaltfreie Intervention hat verhindert, dass das fragile Gleichgewicht im Land vollständig zerbrach und die Konflikte in einem offenen Bürgerkrieg endeten.
Auch heute ist die Situation in der Zentralafrikanischen Republik alles andere als stabil. Die Mitglieder der interreligiösen Plattform setzen deshalb ihre Arbeit fort, auch wenn sie sich damit selbst immer wieder in große Gefahr bringen.
Die Kriege der Gegenwart haben nicht nur das Thema Frieden wieder auf die Tagesordnung gesetzt, sie haben auch zu neuen Debatten über Verteidigungsbündnisse und Sicherheitsstrategien geführt. Auf einmal macht ein Begriff wie „Kriegstüchtigkeit“ die Runde. Wir diskutieren darüber, was nötig ist, um als Staat und als Gesellschaft in einer kriegerischen Auseinandersetzung bestehen zu können.
Wie wäre es, wenn wir – stattdessen oder wenigstens zusätzlich – auch anfangen, über "Friedenstüchtigkeit" nachzudenken? Was ist nötig für einen dauerhaften, gerechten Frieden? Welche finanziellen Mittel, welche Ressourcen und Kompetenzen müssen wir dafür einsetzen? Wo sind die Menschen des Friedens, die heute als „dritte Partei“ alles dafür tun, damit Frieden wächst, damit wir als Menschen Zukunft haben?
Die Antworten auf diese Fragen müssen wir uns nicht komplett neu ausdenken. Es gibt sie bereits, die Geschichten vom Frieden, von den Schwertern, die zu Pflugscharen wurden, von den Menschen, die ihr ganzes Leben für den Frieden einsetzen. Ich wünsche mir, dass diese Geschichten wieder aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer finden.