"Einmal um die ganze Welt und die Taschen voller Geld, dass man keine Liebe und kein Glück versäumt …" So klang das mal bei Karel Gott. Oder: "Wenn ich einmal reich wär", singt der Milchmann Tevje im Musical Anatevka. Was könnte man dann alles machen! Ein Haus würde Tevje bauen, mitten in der Stadt. Und alle wären voll Staunen und Anerkennung. Schmuck würde er seiner Frau kaufen und jede Menge Federvieh für seinen Hof. Und in der Version der Prinzen aus den neunziger Jahren: "Ich wär' so gerne Millionär / Dann wär mein Konto niemals leer."
Woher kommt dieser Traum vom Reichtum? Wahrscheinlich steckt dahinter der Traum von unendlichen Möglichkeiten. Je größer das Vermögen, desto mehr kann ich verwirklichen. Die großen Religionen, auch das Christentum, sind gegenüber diesen Träumen skeptisch. Offensichtlich wissen die Überlieferungen der Religionen, dass es nicht so einfach ist mit dem Reichtum und seinen scheinbar unendlichen Möglichkeiten.
Es gibt eine Geschichte in der Bibel, die mich beeindruckt, weil sie den Reichtum so klar und überzeugend relativiert. Jesus erzählt sie, als ihn jemand in einen Erbstreit verwickeln will. Die Geschichte geht so:
"Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: 'So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!' Da sprach Gott zu ihm: 'Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?' So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist."
Mit dem Reichtum kommen weder Glück noch Sorglosigkeit. Soviel steht fest. Mit dem Reichtum kommt vielleicht mehr Handlungsspielraum. Vorübergehend. "Das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt", so bringt es Jesus auf den Punkt. Alle Möglichkeiten, alles was durch Reichtum erreichbar ist, endet dort, wo das Leben endet.
Bei Gott reich sein – das ist nach diesem Gleichnis die eigentliche Aufgabe im Leben. Die Schätze zu sammeln, die – im biblischen Bild – weder von Rost noch von Motten zerfressen werden.
"Mit Geld", so sagt es der frischgebackene Dortmunder Lotto-Millionär Chico in einem Interview, "mit Geld kann ich keine Liebe kaufen. Mit Geld kann ich diese wunderschöne Uhr hier kaufen, aber keine Zeit. Ich kann mir Versicherungen kaufen, aber keine Sicherheit. Ich kann mir leckeres Essen kaufen, aber keinen Appetit. Ich kann mir ein wunderschönes Bett kaufen, aber keinen Schlaf." [1]
Vielleicht ist das eine sehr zeitgemäße Übersetzung dessen, was Jesus sagen will: Liebe, Zeit, Sicherheit, Appetit und Schlaf – das und vieles mehr kann man auf der Reise des Lebens einsammeln; ohne die Taschen voller Geld zu haben.
Was für ein Reichtum!
[1](Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2023, S. 19).