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Unter jedem Dach ein "Ach"

Morgenandacht, 28.12.2023

Pfarrer Jürgen Wolff, Zeitz

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Unter jedem Dach ein ACH! Dieser Ausspruch fällt mir immer ein, wenn mir erklärt wird, wie überaus glücklich jemand in der jeweiligen Lebensgemeinschaft ist!

Unter jedem Dach ein ACH! Das denke ich aber auch, wenn gerade jetzt Jesus, Maria und Josef als Heilige Familie dargestellt und als Vorbild von Eintracht und Liebe vorgestellt wird. Dann frage ich mich immer: Was ist an dieser Familie HEILIG? Was macht sie für Christen zum Vorbild? Diese Familie scheint doch eher unheilig; als Vorbild taugt sie eher wenig – vor allem in unserer heutigen Lebenswelt! Einer Lebenswelt, die in ihrem Familienbegriff oft zerrissen ist zwischen einer erstrebt-dauerhaften und einer durch Streitigkeit oder Trennung gefährdet-unsicheren Lebensgemeinschaft. Doch weil die ACHS auch bei Jesus, Maria und Josef zu finden sind, zeichnet die Bibel von der Heiligen Familie gerade heute ein realitätsnahes Bild; da kann die Heiligen Familie gerade heute ein Vorbild zum Umgang mit den vielen ACHS in den diversen Lebensgemeinschaften sein.

Drei Beispiele könnten hier helfen:

1. Die Heilige Familie ist eine Kleinstfamilie und wie viele Familien heute ist sie oft auf sich allein gestellt. Da sind keine Verwandten, die einspringen, keine Großeltern, die die Betreuung des Kindes übernehmen oder mit Geld aushelfen. Besonders zeigt sich das bei der Heiligen Familie in ihrem Unterwegssein nach Betlehem: eine beschwerliche Reise, kein Platz in der Herberge, eine Geburt im Stall! Ähnlich geht es wohl auch Familien heute: Mobilität steht an erster Stelle, wird eingefordert von Gesellschaft, Wirtschaft, Kirche. Nicht immer kommt es so, wie man es sich vorstellt – und dann muss man nehmen, was kommt, damit das große Ganze stimmt: Unter jedem Dach ein ACH!

2. Maria und Josef erleben das eigenmächtig-eigensinnige Handeln ihres 12jährigen Sohnes, der nach einer Wallfahrt in Jerusalem zurückbleibt, ohne zu fragen, ob er das darf, ohne zu sagen, wo er ist. Und wenn die Eltern ihren Sprössling nach dreitätiger Suche im Tempel wiederfinden, erleben sie alle kein Happy End. Der Sohn gibt Widerworte, die Eltern sind mit der Situation überfordert. Genauso verstehen auch heute Eltern – trotz des Wunsches nach Eigenständigkeit des Nachwuchses – nicht immer die Wege ihrer Kinder. Und die Kinder stören sich daran, dass sie nicht verstanden werden, dass der elterliche Wunsch nach Eigenständigkeit dann doch eine Grenze hat: Unter jedem Dach ein ACH!

3. Maria erlebt noch den gesellschaftlichen Ausstieg ihres Sohnes, seine Radikalisierung, seinen Tod. Schon als Jesus ein Baby war, wurde ihr vorhergesagt: ein Schwert wird ihr durch die Seele dringen – sieben Schwerter sind es am Ende, sieben Schmerzen. Auch heute gibt es Mütter oder Väter, die diese Schwerter, diese Schmerzen über das Schicksal und die Entscheidungen ihres Kindes kennen. UND es gibt Eltern, die ihre eigenen Kinder überleben – mehr Schmerz geht fast nicht mehr: Unter jedem Dach ein ACH!

Die Unheiligkeit dieser Beispiele zeigt auch, was diese Familie dann doch heilig macht: inner-familiärer Mut, Aushalten von schmerzlich Unvorhergesehenem und gegenseitige Akzeptanz. Und das alles, wegen eines unumstößlichen Vertrauens auf Gott, der in seiner Treue NIEMANDEN verlässt.

Unter jedem Dach ein ACH – dieser Ausspruch zeigt dann auch: Wo uns die Erfahrung eines inner-familiären Gelingens begegnet, da darf sie uns ermutigen, im Vertrauen auf Gottes Führung dranzubleiben und es immer wieder neu mit der Verwirklichung einer erstrebt-dauerhafter Lebensgemeinschaft zu versuchen. Denn dann können wir es tatsächlich sagen: Unter jedem Dach ein ACH – ACH? Es funktioniert tatsächlich!

Über den Autor Pfarrer Jürgen Wolff

Dr. Jürgen A. Wolff wurde 1971 in Birkesdorf/Düren geboren. Nach seiner Ausbildung in Deutschland und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in England hat er über zwanzig Jahre im In- und Ausland in der Finanzbranche gearbeitet; davon die meiste Zeit in China. Im Rahmen seiner Promotion in England entschied er sich Theologie zu studieren und seiner Berufung zu folgen, Priester zu werden. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums in Erfurt begann er 2018 seine pastorale Ausbildung im Bistum Magdeburg, arbeitet nun als Diakon in Bitterfeld und bereitet sich dort auf die Priesterweihe vor. Permanent Horizonte zu erweitern, ist sein Bestreben; Energie und neue Anstöße findet Dr. Wolff durch die Literatur und in der klassischen Musik – besonders in den Werken Händels! Seit 2023 ist er Pfarrer in Zeitz.