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Klatschkassen

Morgenandacht, 29.04.2024

Pfarrer Manuel Klashörster, Salzkotten

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"Soll ich Sie vorlassen?", fragte mich die Frau freundlich, die vor mir in der Schlange an der Kasse stand. Sie hatte im Einkaufswagen weniger Waren als ich. Ohne groß darüber nachzudenken, sagte ich: "Nein danke, ich habe Zeit." – Darauf schaute die freundliche Frau mich plötzlich sehr ernst an und fragte: "Habe ich etwa zu spät gefragt? – Da habe ich erst bemerkt, dass mein "ich habe Zeit" von ihr als Ironie aufgefasst wurde und sie daraufhin sogar etwas beleidigt zu sein schien. Dabei hatte ich es ernst gemeint. Mit meiner Aussage war keine böse Absicht verbunden.

Diese Situation habe ich schon vor einigen Jahren erlebt, muss aber immer wieder daran denken. Die Worte "ich habe Zeit" erscheinen vielen geradezu unglaubwürdig. Wer Zeit hat, hat wohl nichts Besseres zu tun.

Umso aufmerksamer wurde ich, als ich zum ersten Mal etwas von "Klatschkassen" gehört habe. Es gibt ja viele Geschäfte und Supermärkte, in denen man bezahlen kann, ohne dass man etwas mit einem anderen Menschen zu tun hat. Man scannt die Ware ein und bezahlt sie bargeldlos. An manchen Orten haben sich deshalb aber schon Kunden beschwert. Sie sahen keine Möglichkeit mehr zu einer Unterhaltung an der Kasse. Genau das sei aber auch ein Grund für sie, einkaufen zu gehen. Sie möchten dabei eben auch anderen Menschen begegnen und das ein oder andere Wort wechseln. Genau deshalb wurden jetzt an manchen Orten diese besonderen Plauder- oder Klatschkassen eingeführt.

Die Idee stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Dort hat man sehr gute Erfahrungen gemacht. Und darum gibt es nun auch hierzulande in manchen Märkten neben den normalen Kassen auch solche, an denen es bewusst darum geht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Dabei geht es auch um Entschleunigung. Geht es nicht gerade an der Kasse oft hektisch zu, schnell alles einräumen, nach dem Geld oder der Karte suchen – während hinter einem schon der nächste wartet.

Die Erfahrung mit den Klatschkassen zeigt, dass das manchen Menschen sehr gut tut. Keine Hektik und dabei ein freundlicher Austausch. Als ich davon gehört habe, war mir das gleich plausibel. Mir scheint, dass es mehr Menschen gibt, als man denkt, die sehr selten Gelegenheit haben, mit anderen Menschen zu sprechen. Einsamkeit gehört aus meiner Sicht zu den Themen, über die selten berichtet wird, die aber doch das Leben von vielen Menschen prägen. Die Nachricht von den "Klatschkassen" hat mir vor Augen geführt, welcher Wert auch in kurzen Begegnungen liegen kann.

Durch den allgemeinen Leistungs- und Zeitdruck unserer Tage kann es passieren, dass die Dinge wichtiger werden als andere Menschen. Ich glaube, dass man beides nicht gegeneinander ausspielen muss: das Funktionieren und die Aufmerksamkeit für die anderen. Umso wichtiger ist es, die Gelegenheiten zu erkennen, in denen es möglich ist, zuzuhören, ein gutes Wort zu sprechen und jemandem Zeit zu schenken. Dazu gehört auch, sich daran zu erinnern, dass es manchmal einfach guttut, auch unbekannten Menschen ein Lächeln zu schenken, einen guten Blick und vielleicht auch ein gutes Wort, ja eine Freundlichkeit auszudrücken, ohne zu befürchten, dabei etwas zu verlieren. Es wäre schade, wenn wir miteinander leben und nur noch dort miteinander sprechen, wo es absolut nötig ist.

Ich wünsche Ihnen heute gute Begegnungen und das ein oder andere Wort über die nötigen Absprachen hinaus.

Über den Autor Pfarrer Manuel Klashörster