"Wir haben Dachau gesehen. Jetzt wissen wir, wofür wir kämpften." So steht es im Nachrichtenblatt der 45. US-Infanterie-Division. Deren Soldaten befreien die Häftlinge im KZ Dachau – heute vor genau 80 Jahren. Was die Soldaten hier sehen, übertrifft alles, was sie bisher in diesem Krieg erleben mussten.
Die Konzentrations- und Vernichtungslager offenbaren den wahren Charakter des Nationalsozialismus. Allein in Dachau waren von 1933 bis Kriegsende rund 200.000 Menschen eingesperrt. Politische Gegner, Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle. Rund 42.000 sterben in diesem Konzentrationslager.
Seit 1940 gab es in Dachau einen eigenen "Pfarrerblock". Mehr als 90 Prozent der 3000 Inhaftierten hier sind katholische Priester. Die meisten stammen aus Polen, knapp 500 aus Deutschland. Der Terror der SS-Männer ist gnadenlos. In ihren Augen ist die Katholische Kirche ein weltanschaulicher Feind. Deshalb zählen die Geistlichen zu den politischen Gefangenen.
Es sind immer die gleichen Gründe, warum Priester nach Dachau kommen. Sie äußern sich kritisch gegenüber der NS-Führung, etwa in ihren Predigten. Sie hören "Feindsender" und geben deren Informationen weiter. Sie betreiben kirchliche Jugendarbeit oder kümmern sich in ihrer Seelsorge auch ausdrücklich um die vielen ausländischen Zwangsarbeiter.
Manchmal genügt aber auch schon eine vermeintliche Lappalie. So z.B. im Fall von Johannes Schulz und Josef Zilliken. Die beiden sind Pfarrer in der Osteifel. An einem sonnigen Tag im Mai 1940 sitzen die beiden befreundeten Geistlichen auf der Terrasse eines Ausflugslokals nahe dem Laacher See. Da taucht überraschend Feldmarschall Hermann Göring mit Gefolge auf. Alle erheben sich, um den prominenten Gast lautstark mit "Heil Hitler" zu begrüßen. Die beiden Pfarrer aber verweigern den sogenannten "Deutschen Gruß" und bleiben sitzen. Noch am gleichen Abend werden Schulz und Zilliken von der Gestapo verhaftet. Über die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen kommen auch sie schließlich in den Pfarrerblock von Dachau.
Demütigungen, Schläge, Zwangsarbeit und Hunger gehören hier zum Alltag. Viele Gefangene werden krank. Im Lager grassieren Typhus und Tuberkulose. Zwei von drei Priestern sterben im KZ, auch Johannes Schulz und Josef Zilliken.
Nach dem Krieg werden 57 Märtyrer aus Dachau von der Kirche seliggesprochen. Den holländischen Ordensmann und Journalisten Titus Brandsma erhebt Papst Franziskus im Jahr 2022 zum Heiligen. Zu den Seligen zählt auch Karl Leisner vom Niederrhein. Er ist Diakon, als er Ende 1940 als sogenannter "Schutzhäftling" nach Dachau kommt. Dort bricht eine frühere Tuberkulose wieder aus. Jetzt hat der junge Mann nur noch einen Wunsch: Priester werden!
Und das Unglaubliche geschieht. Unter den Gefangenen des Lagers befindet sich mit dem Franzosen Gabriel Piguet auch ein Bischof, der die Priesterweihe spenden kann. Die notwendigen Utensilien – Hostien, Salböl, Kerzen – werden ins KZ geschmuggelt. Schließlich empfängt Karl Leisner, unbemerkt von der SS, das Sakrament der Priesterweihe. An Weihnachten1944 feiert er seine erste Heiligen Messe. Es ist zugleich auch seine letzte! Karl Leisner stirbt kurz nach der Befreiung an den Folgen der Haft.
Das Zeugnis der Märtyrer von Dachau darf nicht vergessen werden. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx erklärt, warum das gerade heute so wichtig ist. Er sagt:
"Wir denken, die Freiheit sei irgendwie von selbst da, aber das ist sie eben nicht. Nur wenn Menschen da sind, die mit Leib und Seele für die Freiheit einstehen (und) für die Würde des Menschen, (…) dann wird Freiheit gemacht."