"Ich bin nicht tausendmal gescheitert. Ich habe erfolgreich tausend Möglichkeiten entdeckt, wie die Glühbirne nicht zum Leuchten gebracht wird."
Thomas Edison soll das gesagt haben, und so ein Satz passt gut zu vielen Erzählungen oder Legenden über Gründerpersonen, über erfolgreiche Gescheiterte. Es ist fast das Credo einer ganzen Start-Up-Kultur: Schnell und häufig scheitern, damit dann auch möglichst bald der Erfolg kommt, die geniale Erfindung, der richtige Moment auf dem Markt. Und dann geht die Sonne auf und die Geschichte bekommt das Happy End, das den Leser oder Hörer so motiviert, dass er auch selbst den Rückenwind spürt, um seinen eigenen Ideen zu folgen. Die ganz Großen, ob sie Mark Zuckerberg oder Steve Jobs heißen, alle haben ihre Geschichten vom tiefen Tal, das dem Gipfel des Erfolgs vorangegangen ist.
"Schönheit des Scheiterns" heißt ein Buch des französischen Philosophen Charles Pépin – und die Ratschläge darin sind wie ein einziger großer Motivationsmarathon. Sinngemäß heißt es da: Die Kunst des Lebens besteht darin, nach einem Scheitern wieder aufzustehen und weiterzumachen, als wäre nichts passiert. Solche Sätze finden sich an jeder dritten Büro-Pinwand.
Und wenn man ins religiöse Leben schaut, dann kommt man an diesem Muster ja auch nicht vorbei. Das Scheitern von Propheten, bevor sie zu Ehren kommen oder wenigstens gehört werden, das moralische Scheitern des biblischen Königs David, am Ende auch das Scheitern Jesu, sein Kreuz, der Endpunkt eines misslungenen Weges – der notwendig ist, damit die Auferstehung die Grenze des Todes zerbrechen kann.
Geht das Scheitern immer gut aus? Tatsächlich wissen wir es nicht und arbeiten so klug wie möglich daran, dass uns das Scheitern erspart bleibt, im Kleinen wie im Großen. Wie geht man aber um mit dieser Möglichkeit des Scheiterns? Es sind ein paar Dinge, die man möglicherweise mitnehmen kann.
Einmal: Auf die drei oder vier erfolgreich Gescheiterten kommen tausende, denen der entscheidende Glücksmoment fehlte, die dann so ganz und gar gescheitert sind. Das Leben schreibt ja nicht immer die guten Geschichten weiter. Scheitern ist zunächst mal schlecht – Gelingen ist besser. Und Scheitern heute garantiert keinen Erfolg morgen. Am Gelingen arbeiten ist sehr oft die bessere Devise.
Ein Zweites: Man darf sich ja trotzdem anstecken lassen von den guten Geschichten. Es ist ja auch ein Trost darin: Scheitern heute muss nicht zum Verlust für alle Tage werden. Den Blick aufrichten und nach vorne schauen – das kann leicht machen, auch wenn es keine Garantie auf Erfolg gibt. Denn sicher ist ja: Wenn der Blick nur auf die Trümmer des Lebens gelenkt wird, dann fehlt die Energie zu jedem späteren erfolgreichen Anpacken.
Drittens: Wer die Gescheiterten links liegen lässt, vergisst, wozu er auf der Welt ist. Eine Heldengesellschaft, die jedem sagt, dass er immer wieder aufstehen kann, lässt zu leicht die am Rand liegen, die dazu keine Kraft haben. Wer Scheitern nur als Folie für den Erfolg sehen will, müsste sich um die Solidarität mit denen keine Gedanken machen, die es eben nicht schaffen. Aber genau die sind auf Solidarität angewiesen. Mit Heldengeschichten ist ihnen nicht geholfen.
Und ein Letztes: Wenn die Geschichte Jesu, die Geschichte von seinem Tod und seiner Auferstehung auch nur den kleinsten Funken Recht hat, dann geht am Ende jede Geschichte richtig aus, dann gibt es kein restloses Scheitern, kein endgültiges Verloren-Sein, keinen Untergang. Damit ist man am Kern des christlichen Glaubens: Nichts, kein Scheitern und auch nicht der Tod lassen den Menschen herausfallen aus dem tragenden Grund, aus der Liebe, die Gott zum Menschen hat.
Diese Hoffnung muss das letzte Wort haben.