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Zielführende Holzwege

Morgenandacht, 29.10.2024

Pfarrer Christoph Seidl, Regensburg

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Vom Urlaub auf der Insel Amrum habe ich einen schönen Eindruck mitgebracht. In der kunstvoll angelegten Dünenlandschaft gibt es dort weitläufige Heideflächen, durch die lange Holzbohlenwege führen. Zunächst scheinen diese künstlichen Wege sich nicht ganz harmonisch in die Natur einzufügen, aber bei genauerem Hinsehen sind sie gar nicht so unschön, vor allem sind sie sehr umweltschonend. Auf diese Weise werden die Tritte der Menschen auf einen bestimmten Raum reduziert. Die künstlichen Wege verhindern dann, dass sich Trampelpfade bilden und immer mehr Lebensraum von Pflanzen und brütenden Vögeln durch Touristen gestört wird. Ich fand Plakate auf der Insel schön, auf denen so ein Bohlenweg zu sehen ist und dazu der Schriftzug:

"Manchmal ist der Holzweg gar nicht so verkehrt. Vor allem, wenn er zum Meer führt."

Ich bin stundenlang auf diesen Wegen gegangen und konnte mich gar nicht satt sehen an Flora und Fauna. Und wenn der Kopf beim Gehen allmählich frei wird, haben die Gedanken freien Lauf. So überlege ich: Wie ist denn das mit den Wegen meines Lebens? Die sind nicht immer so schön vorbereitet wie in dieser Dünenregion. Oft muss ich mir meinen Weg erst suchen, nicht selten ist er holprig oder ich trete in eine Pfütze.

Gerade im Hinblick auf die Begegnung mit anderen Menschen finde ich das Bild des Weges passend: Wie schwer ist es, zu manchem Menschen einen Zugang zu finden, da tritt man schon mal schnell in ein "Fettnäpfchen". Und wenn sich jemand an mich um ein Seelsorgegespräch wendet: Wie schwer ist es manchmal, gemeinsam nach dem besten weiteren Stück Weg zu suchen, wenn momentan alle bekannten Pfade wie nach einem schweren Gewitter weggespült wurden. Da würde ich mich schon gelegentlich nach so einem Bohlenweg sehnen, aber oft ist erstmal keiner in Sicht.

Wie ist das aber eigentlich für gläubige Menschen? In einem Psalm im Alten Testament der Bibel heißt es: "Gott, zeig mir den Weg, den ich gehen soll …" (Psalm 25,4)

Legt Gott Bohlen für mich aus? Nun, Gott ist bestimmt nicht so etwas wie Straßenbaumeister! Aber eine schöne Vorstellung habe ich dennoch im Kopf: Während meines Studiums gab es ein geistliches Lesebuch des damaligen Münsteraner Spirituals Johannes Bours, es trug den Titel: "Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt." Dabei handelt es sich um ein Zitat aus dem Talmud, einem jüdischen Weisheitsbuch. Gemeint ist, dass der Mensch sehr wohl von Gott geführt wird, dass er aber dennoch keine Marionette ist, sondern dass er selbst bestimmt, welchen Weg er gehen möchte. Und egal, welchen Weg er schließlich wählt: Gott begleitet ihn und führt ihn auf jeden Fall! Der persönliche Weg, wenn auch anfänglich noch so holprig, kann mit Gott tatsächlich zu einem Bohlenweg werden! Gott führt auf dem Weg, den der Mensch wählt.

Und das ist – so denke ich – wirklich von Bedeutung: Jeder und jede von uns muss täglich Entscheidungen treffen, alltägliche und auch weitreichende. Manchmal kann einem schon Angst davor werden. Aber wofür ich mich auch entscheide, Gott wird mich auf diesem Weg begleiten, er wird mich führen, er wird – um im Bild des Bohlenweges zu bleiben – für den Weg, den ich wähle, einen begehbaren Untergrund schaffen, damit ich nichts zertrample, nicht im Morast stecken bleibe und damit ich schließlich genügend Kraft habe, um ans Ziel zu kommen.

Der Bohlenweg auf Amrum hat sich mir eingeprägt. So mache ich mich auch heute wieder auf den Weg und bin zuversichtlich, dass ich mit Gottes Hilfe trittsicher durch den Tag komme.

Über den Autor Christoph Seidl

Pfarrer Christoph Seidl wurde 1967 geboren. Er stammt aus Regensburg und ist seit 1992 Priester im Bistum Regensburg. Nach der Kaplanszeit in Straubing arbeitete er in der Priesterausbildung mit und war Studentenpfarrer in Regensburg. Pfarrer Seidl ist als Seelsorger für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen im Bistum Regensburg tätig und als Gemeindeseelsorger in Regensburg – Harting.

Kontakt: seidl@seelsorge-pflege.de