"Die Büchse der Pandora". Ein griechischer Mythos, eine Erzählung von Göttern, Helden und Menschen durchtränkt mit Lebenswahrheit! Mythen erklären die Welt. Sie helfen den Menschen, das Leben zu bewältigen.
Pandora war eine von Zeus, aus Lehm geschaffene, verführerische Frauengestalt mit einem geheimnisvollen Gefäß – einem Vorratskrug randvoll. Doch womit? Als Pandora ihre Büchse öffnet – so erzählt der Mythos – ergießt sich alles Übel der Welt über die Menschheit: Angst, Krankheit, Lügen, Gewalt, vor allem aber der Tod.
Eine einzige Sache bleibt in der Büchse zurück. Gott Zeus hatte sich etwas Perfides ausgedacht: Die Hoffnung bleibt zurück! Für die alten Griechen war die Hoffnung eine Art Narkotikum, eine Illusion angesichts des Dramas, das der Mensch tagtäglich erlebt, ein mieser Betrüger: Obwohl die Welt in völliger Finsternis verschwindet, erweckt die Hoffnung den Anschein, dass es trotzdem noch mal gut ausgehen könnte. Spätere Philosophen haben diesen Gedanken aufgegriffen. Friedrich Nietzsche zum Beispiel ist der Überzeugung: Hoffnung sei eines der größten aller Übel. Sie verlängere die Qual der Menschen unnötig. Hoffnung verweigere sich der Realität. Diese kritische Sicht auf Hoffnung teilen wohl etliche Zeitgenossen heute. Mir kommt Greta Thunbergs wütender Satz in den Sinn: "Ich will eure Hoffnung nicht. … Ich will, dass ihr in Panik geratet … Und dann will ich, dass ihr handelt."
Ist Hoffnung wirklich ein Beruhigungsmittel, das uns davon abhält, das Heft in die Hand zu nehmen, um die Welt zum Guten zu wenden?
"Die Büchse der Pandora ist geöffnet": Fast täglich türmen sich Krisen auf Krisen, im Alltag und im Weltgeschehen. Es stimmt: Angesichts dessen wäre eine illusionäre Hoffnung im wahrsten Sinne des Wortes Lebens-gefährlich. Tragfähige Hoffnung aber hat Konjunktur. Manche sprechen heute von der Hoffnung als einer "politischen Tugend": Denn Hoffnung treibt auch zum Handeln an. Wer hofft, gibt sich nicht zufrieden mit dem, was ist. Er hat eine Vision, wie etwas sein könnte! Und dieser Graben zwischen dem, was ist, und dem, wie es sein könnte, den überwindet die Hoffnung, indem sie zum Handeln motiviert. Ja sogar "verrückte" Hoffnungen haben darin ihren Sinn. Der Journalist Heribert Prantl meint: "Es gibt Hoffnungen, die scheinen verrückt; aber sie sind es nicht. Diese verrückten Hoffnungen sind nämlich oft gerade diejenigen Hoffnungen, die helfen, nicht verrückt zu werden."
Eine solche "verrückte" Hoffnung – weil sie die gängigen Maßstäbe verrückt – ist für mich als Christ die Hoffnung von Weihnachten. An diesem Wochenende beginnt der Advent. Weihnachten steht vor der Tür. Die Hoffnung auf das Kind im Stall von Bethlehem. Darin erkennt der Christ, wer Gott ist. Im Kind von Betlehem liegt auch die Botschaft Gottes an den Menschen: Du und dein Leben sind mir nicht egal. Ich bin mit dir. Tatsächlich eine "verrückte" Hoffnung, die mir hilft, nicht verrückt zu werden angesichts der Abgründe des Lebens.
Ohne diese Hoffnung, die alles andere überschreitet, blieben meine kleinen Hoffnungen vorläufig und vage. Wie stark diese Hoffnung sein kann, erkenne ich an Alfred Delp, ein von den Nazis zum Tode verurteilter Jesuit. Trotz seines Schicksals schreibt er in der Weihnachtszeit 1944: "Man muss die Segel in den unendlichen Wind stellen, dann erst werden wir spüren, welcher Fahrt wir fähig sind."