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Von guten Mächten treu und still umgeben

Morgenandacht, 30.12.2023

Pfarrer Jürgen Wolff, Zeitz

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Von guten Mächten treu und still umgeben – So beginnt eines der beliebtesten Kirchenlieder deutscher Sprache – traditionell gesungen oder in Teilen zitiert bei weltlichen Veranstaltungen UND kirchlichen Versammlungen, die allesamt Abschied und Abschluss ABER auch Hoffnung und Trost angesichts des Unbekannten, Unruhigen, Unfassbaren in den Mittelpunkt stellen.

Grundlage dieses Liedes ist ein Gedicht des evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer. Verfasst in der Gestapo-Haft, ist es Bonhoeffers letzter erhaltener theologischer Text vor seiner Hinrichtung im April 1945. Bonhoeffer hat diesen Text am 19. Dezember 1944 dem Weihnachtsbrief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer angefügt. Er nennt ihn einen Weihnachtsgruß.

Dieser Weihnachtsgruß wird so zu seinem Vermächtnis, und diese ‚paar Verse, die ihm in den letzten Abenden einfielen‘ – wie es Bonhoeffer schreibt –, weisen damit über den Anlass ihrer Niederschrift hinaus. Wie kommt es aber, dass dieses Gedicht auch heute noch aktuell ist?

In sieben Strophen verdichtet, was Menschen in Grenzsituationen trösten kann, können sich auch heute noch Millionen von Menschen mit ihren Erfahrungen, ihrem Wunsch nach Trost und mit ihren Hoffnungen in diesen Zeilen wiederfinden.

Die Zeilen dieses Gedichtes rühren uns an – immer wieder neu. Sie strahlen Ruhe, Wärme und lichte Zuversicht aus – trotz der Anspielungen auf dunkle Erfahrungen. Es ist eine merkwürdig-lebensnahe Ambivalenz, die diese Zeilen prägt. Da ist unüberhörbar das Bedrohliche und Traurige: die Angst, die schwere Last, die aufgeschreckten Seelen, die gequälten Herzen. Doch das steht nicht im Vordergrund.

Wir hören kein Klagen, kein Selbstmitleid, sondern der getröstete, ruhige Blick geht in eine neue, geborgene, hoffnungsvolle Zukunft – trotz oder vor allem! Und so ist dieses Gedicht Zeichen des Lebens UND Zeugnis gelebter christlicher Existenz – damals und heute.

Vor allem aber sind diese sieben Strophen Zusammenfassung unseres Not-Wendenden christlichen Glaubens, so wie ich ihn für den Lebensweg eines Menschen mit all seinen Abschieden und Abschlüssen, ABER auch mit all seinen Hoffnungen, Erwartungen und Wünschen nach Trost angesichts des Unbekannten, Unruhigen, Unfassbaren sehe:

Je größer die Herausforderungen, die Anforderungen aber auch die Bedrohungen und Unsicherheiten in unserer Welt und in unserem Leben sind, desto gefestigter sollte das Fundament unseres Lebens sein. Es ist der Glaube, der uns dieses Fundament legt; im Glauben finden wir Orientierung, Geborgenheit und Vertrauen; durch den Glauben fühlen wir uns keinen Augenblick alleine und verlassen – egal, was kommen mag!

Von guten Mächten treu und still umgeben – Es ist diese Zusage, die dieses Gedicht so aktuell hält. Trotz oder mitten in schwierigster menschlicher Not vertrauen Menschen den guten Mächten, hoffen auf Trost und erfahren sie Gewissheit, so, wie jeder Mensch sie sich wünscht – heute für das neue Jahr UND immer in Zeiten der Not. Die letzte Strophe des Bonhoeffer-Liedes fasst das alles zusammen:

"Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

Gehen wir mit dieser Zusage in das Neue Jahr, auch wenn es uns nicht das bringt, was wir erwarten. Bonhoeffer nimmt aus Gottes Hand, was kommt. Genau das ist es, was wir brauchen, auch im Neuen Jahr 2024.

Über den Autor Pfarrer Jürgen Wolff

Dr. Jürgen A. Wolff wurde 1971 in Birkesdorf/Düren geboren. Nach seiner Ausbildung in Deutschland und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in England hat er über zwanzig Jahre im In- und Ausland in der Finanzbranche gearbeitet; davon die meiste Zeit in China. Im Rahmen seiner Promotion in England entschied er sich Theologie zu studieren und seiner Berufung zu folgen, Priester zu werden. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums in Erfurt begann er 2018 seine pastorale Ausbildung im Bistum Magdeburg, arbeitet nun als Diakon in Bitterfeld und bereitet sich dort auf die Priesterweihe vor. Permanent Horizonte zu erweitern, ist sein Bestreben; Energie und neue Anstöße findet Dr. Wolff durch die Literatur und in der klassischen Musik – besonders in den Werken Händels! Seit 2023 ist er Pfarrer in Zeitz.