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Heiliger Geist im Alltag – Intelligenz und Emergenz

Morgenandacht, 31.05.2023

Ingelore Engbrocks, Essen

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Hast du ChatGPT auch schon ausprobiert?

Kaum war die neue Homepage online, die dazu einlud, künstliche Intelligenz auszuprobieren, war das Thema in meinem Umfeld in aller Munde. Was hast du die künstliche Intelligenz machen lassen? Ein Traktat über den Weltfrieden? Einen pizzaessenden Hund, der so aussieht, als wenn Vincent van Gogh ihn gemalt hätte? Oder ein Gedicht über die Erderwärmung in Sonettform?

Es gibt nichts, was diese künstliche Intelligenz nicht zustande brächte; zwar nicht mit durchweg überzeugenden Inhalten, aber doch mit erkennbaren Ergebnissen. Und mittlerweile wird überall über Wohl und Wehe, Chancen und Grenzen der künstlichen Intelligenz diskutiert.

Aber braucht unsere Gesellschaft für den Umgang mit diesen neuen Möglichkeiten ethische Regeln? Darf künstliche Intelligenz beispielsweise dem Menschen komplexe Entscheidungen abnehmen, z.B. im medizinischen Bereich, wenn es um Fragen von Leben und Tod geht?

Für das effiziente Sammeln von Informationen, um eine Entscheidung vorzubereiten, dafür kann sie gut geeignet sein. Eine Basisfrage ist dabei für mich aber immer: Was kann denn die künstliche Intelligenz, was der Mensch nicht kann? Worin liegt der Vorteil, auf KI zurückzugreifen?

In meinem Arbeitsalltag bin ich ein absoluter Fan von möglichst diversen Arbeitsgruppen. Frauen und Männer, ältere und jüngere, Menschen mit verschiedenen Erfahrungen und Charismen möglichst gemeinsam. Das führt aus meiner Erfahrung zu den besten Ergebnissen. In möglichst diversen Gruppen entstehen oft überraschend neue Ideen, es kann zu äußerst visionären wie auch realitätsverbundenen Gedanken kommen.

Eine Gruppe, nach Möglichkeit bunt zusammengesetzt, ist immer schlauer als das schlaueste Mitglied dieser Gruppe. So lautet die Theorie einiger Forscher. Dieses Plus, das im offenen und kritischen Dialog entsteht, das Unverfügbare, das man auch mit noch so viel Fleiß nicht selber machen kann, nennt man Emergenz.

Als Christ sage ich: Diese Emergenz ist ein Zeichen des Heiligen Geistes. Ihn feiert die Kirche in diesen Tagen des Pfingstfestes. Nach biblischer Überlieferung verheißt Jesus Christus seinen Jüngern diesen Geist Gottes als bleibenden Beistand. Auf seine Eingebungen könnten sie vertrauen. In der christlichen Tradition werden diesem Geist bestimmte Gaben zugeschrieben: darunter der Geist der Einsicht, der Weisheit und der Erkenntnis.

Auf diesen Geist vertrauen heißt auch, darauf zu setzen, dass gerade das gemeinsame Ringen zu gemeinsam errungenen und richtigen, guten Entscheidungen führt.

Christlich gesprochen sind Menschen umso kreativer und innovativer, je mehr sie sich dem Dialog und dem Geist Gottes öffnen. Diese unverfügbare Emergenz, die sich im Dialog einstellt, die schöpferische Kreativität, ist nach meinem Dafürhalten ein Spiegel der Schöpferkraft Gottes. Im ersten Buch der Bibel heißt es, dass der Geist Gottes über dem Chaos lag. Dieser Geist ist demnach die unserer Welt innewohnende Kraft, die aus dem Nichts eine Ordnung schuf, die wir in der Schöpfung beobachten können.

Dieser Heilige Geist lässt Menschen ihre eigenen Grenzen überwinden und Neues schaffen, sogar etwas so Besonderes wie künstliche Intelligenz. Trotzdem glaube ich, dass wir hocheffiziente Denkprozesse sicherlich nicht von der künstlichen Intelligenz erwarten dürfen. Denn die Kreativität des Menschen, der sich in einen lebendigen und offenen Denkraum mit anderen Menschen begibt, wird sie nicht überflügeln können. 

Vielleicht wird Sie Ihnen ja heute geschenkt, so eine Erfahrung von Emergenz.

Über die Autorin Ingelore Engbrocks

Geboren 1958 in Oberhausen im Ruhrgebiet, verheiratet, 2 Kinder. Erste Berufsausbildung in der chemischen Industrie. Nach der "Familienphase" Studium der Theologie. Seit 1996 im Dienst des Bistums Essen, Ausbildung als Pastoralreferentin. Langjährige Arbeit im Bereich Exerzitienseelsorge; Fortbildung zur Geistlichen Begleiterin und zur Coach DGfC. Im Bistum Essen verantwortlich für Ausbildung und Fortbildung.

Kontakt: ingelore.engbrocks@bistum-essen.de