Die erste richtige Flaschenpost wurde wohl 1797 ins Meer geworfen. 13 Jahre nachdem der französische Schriftsteller Jacques-Henri Bernardin de Saint-Pierre die Idee dazu publiziert hatte. In der Bibliothek des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie gibt es einen Fundus von Flaschenpostbriefen, die rund um die Welt irgendeinen Empfänger gefunden haben. Sie dokumentieren ein Projekt von Georg Neumayer, jenem Pionier der Meeresforschung, nach dem heute die modernste deutsche Antarktis-Station benannt ist.
Lange bevor Satelliten erfunden wurden, nutzte Neumayer Ende des 19. Jahrhunderts eine ebenso einfache wie raffinierte Methode, um die Meeresströmungen zu erforschen: an verschiedenen Stränden in der ganzen Welt ließ er gut verschlossene Flaschen ins Meer werfen. Im Inneren befand sich ein eingeschlossener Meldebogen, auf dem die Empfänger Zeit und Ort des Fundes notieren und nach Hamburg schicken sollten.
So eine Flaschenpost hat etwas Faszinierendes. Ein kleines Objekt, das irgendwo auf dem gewaltigen Ozean von Wind und Wellen hin und her geworfen wird und irgendwo ankommt. Die Inhalte sind vielfältig: Wünsche, Bitten oder letzte Worte. Vielleicht auch ein Hilferuf. Niemand weiß, ob die Botschaft ankommt. Der Empfänger kann jeder und jede sein. Die Flaschenpost ist ein Abenteuer.
Heute ist Silvester. Der letzte Tag eines außergewöhnlichen Jahres. Eines Jahres, geprägt von einem schrecklichen und vor einem Jahr für viele Menschen noch unverstellbaren Krieg in Europa. Viele Menschen haben dort und in zahlreichen anderen Konflikten auf dem Erdball ihr Leben verloren. Viele sind geflüchtet. Die Auswirkungen haben das Jahr 2022 geprägt und nicht nur die internationale Ordnung erschüttert, sondern mit der Energiekrise und der Inflation auch jeden Einzelnen erreicht. „Zeitenwende“ ist 2022 das Wort des Jahres.
Viele Menschen haben ihre Not mit den hohen Kosten und wissen nicht, wie es weitergeht. Der Klimawandel schreitet unaufhörlich voran und die Menschheit findet zu langsam zu echten Lösungen. Die Zukunft scheint am Silvesterabend des Jahres 2022 mehr denn je wie ein weiter Ozean der Ungewissheit, auf dem uns manche Stürme erwarten.
Welche Botschaft würde ich in eine Flaschenpost scheiben, wenn ich sie heute in das weite Meer der Zukunft werfen könnte? Welcher Brief soll am Silvesterstrand des nächsten Jahres ankommen? Die Wünsche sind vielfältig. Hoffnung auf Frieden, vielleicht Gesundheit, vielleicht die Klärung eines Streits oder die Aussicht auf eine neue Arbeitsstelle. Wie ist das mit ihrer Flaschenpost für 2023? Vielleicht enthält Ihre Flaschenpost die Bitte für einen Menschen, der Ihnen wichtig ist, für den Sie Verantwortung tragen, oder eine andere Hoffnung
Ein großer Wunsch, der uns heute an Silvester besonders mit den Menschen in der Ukraine verbindet, aber letztlich auch mit allen Notleidenden und gebeutelten Menschen dieser Erde, ist der Wunsch nach Frieden. Das wäre doch eine gute Nachricht für alle Menschen, die unsere Flaschenpost des neuen Jahres finden: „Glücklich sind, die Frieden stiften“. Dieser Satz stammt aus dem Mund Jesu, der ihn in seiner Bergpredigt den Menschen zuruft. Ich glaube, das wäre eine gute Botschaft für die Flaschenpost auf dem großen Meer des neuen Jahres. Eine Botschaft, die unsere Welt braucht, die ankommen muss, wie damals die vielen Flaschen des Ozeanpioniers Neumayer.
„Glücklich sind, die Frieden stiften.“ Diese Botschaft ist nichts für hydrografische Archive, sondern eine Botschaft der Hoffnung für die Zukunft unserer Erde.