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Wort zum Tage, 01.07.2024

Andreas Hauber, Ellwangen

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Wenn ich als Jugendlicher mal wieder eine 4 nach Hause gebracht habe, habe ich meiner Mutter gerne erklärt, dass das nicht so schlimm sei. Ein bestimmter Klassenkamerad hat nämlich eine 5 gehabt und sei deshalb noch viel schlechter dran als ich. Meine Mutter fragte dann immer nach der Note eines anderen Mitschülers, der grundsätzlich viel besser in der Schule war. Der hatte meistens eine eins oder eine zwei bekommen.

Nach meiner Einschätzung bin ich mit meiner 4 ganz gut weggekommen, nach der Meinung meiner Mutter hätte ich noch viel besser sein können. Es ist eben immer eine Frage, womit man sich vergleicht, ob man nach oben oder nach unten schaut. Meine Mutter hatte mehr von mir erwartet, mir selbst hat das gereicht, was ich hatte. So ist es geblieben. Und darüber bin ich sehr froh.

Die Geschichte mit der Schulnote ist ja noch recht simpel, aber in viel größeren Bereichen des Lebens ist das Vergleichen auch ein wichtiges Thema. Zum Beispiel, wenn es um Reichtum geht. In vielen Gesprächen, die ich führe, beklagen sich Menschen, wie schlecht es Ihnen geht. Andere scheffeln Millionen, fahren 5 Mal im Jahr in Urlaub und so weiter. Das stimmt natürlich. Verglichen mit den oberen 10 000 bin ich arm. Sehr arm wahrscheinlich. Aber wenn ich auf das Gesamte schaue, auf die große Masse der Menschen, die auf der Erde wohnen, dann, muss ich sagen, bin ich doch reich. Sehr reich wahrscheinlich.

Noch dazu lebe ich in einem freien Land, in einer stabilen Demokratie, in einem guten Gesundheitssystem, in einem fürsorglichen Sozialstaat. Auch wenn manche sagen, dass das alles am Kaputtgehen ist und es früher besser war. Auch wenn manche sagen, dass unser Wohlstand gefährdet sei. Auch wenn es in Zukunft vielleicht etwas weniger werden könnte. Ich, für mein persönliches Leben, bin sehr dankbar für das, was ich habe und für die Art und Weise, wie ich leben kann. Auch ohne Millionen zu scheffeln oder eine riesige Villa zu besitzen.

Häufig wirft mir jemand, wenn es um das Thema geht vor, ich wäre naiv und rede mir das Leben schön. Vielleicht kann man es so sehen. Ich selber aber sehe das anders. Ich denke, was ich für mein Leben brauche und an Ressourcen habe, reicht mir. So wie meine Schulnote von damals: ausreichend!

Über den Autor Andreas Hauber

Es ist eine große Herausforderung über Gott zu sprechen. Ich denke, dass man ihn mit Worten nicht fassen kann, dass alle Begriffe abrutschen und ihr Ziel letztlich verfehlen. Sprechen über Gott kann nur eine Annäherung sein. Das versuche ich auch mit meinen Beiträgen: Mich ihm anzunähern. Ich speise meine Texte aus meinem Leben, aus dem was mir begegnet und was mich umtreibt. Das setze ich in Beziehung zu meinem Glauben. Ich war immer neugierig, wollte immer so viele Facetten des Lebens wie möglich kennenlernen. Vielleicht ist das an meinem beruflichen Werdegang abzulesen. Ich bin gelernter Krankenpfleger, habe Theologie und Philosophie studiert, war 5 Jahre auf einer Berghütte, dann in der Flüchtlingsarbeit tätig, dann Betreuer für einen jungen Mann mit Handicap und noch manches mehr, derzeit arbeite ich auf dem Bau. Ich lebe wieder in Ellwangen, wo ich 1980 auch geboren wurde.