Wie wär’s mit einer schwungvollen Polka als Tages- Auftakt? Es passt nicht ins Sende-Format, sonst könnten wir jetzt den "Liguorianer-Seufzer" von Johann Strauß‘ Sohn einspielen. Die Komposition hat mit dem katholischen Tagesheiligen von heute zu tun: Alfons von Liguori. Er kam 1696 in Neapel auf die Welt, machte mit Sechzehn den Doktor in Jura, eröffnete eine Anwaltskanzlei und erreichte den Freispruch etlicher Schurken und Wirtschaftskrimineller. Zusehends litt er darunter, dass er damit zum Spießgesellen der Verbrecher wurde.
Er hängte den Beruf an den Nagel, studierte Theologie und wurde zum Priester geweiht. Wenig später gründete er den Orden der Redemptoristen, auch Liguorianer genannt. Die Patres widmeten sich vor allem der Predigt, dem Seelsorgegespräch, der religiösen Bildung. Auch in Wien gründeten sie ein Kloster. 1848 zogen Demonstranten dorthin und führten unter den Fenstern ein Pfeif- und Trommelkonzert auf – für Strauß die Inspiration zur Liguorianer-Polka!
Strauß sympathisierte mit den Revolutionären, die sich gegen die Habsburger Monarchie auflehnten und Unruhe vor staatlichen und kirchlichen Häusern stifteten. Die Patres packten die Koffer und verzogen sich aus Wien.
Alfons von Liguori wurde gut 60 Jahre nach seinem Tod im 19. Jahrhundert zum roten Tuch für Republikaner und Protestanten. In Wort und Schrift hatte er Stimmung für den Papst als den Monarchen gemacht, der noch über Kaiser und Königen steht; er hatte eine überspannte Marienverehrung angezettelt; er hatte eine Sexualmoral eingeschärft, für die ihn der Soziologe Max Weber später einen "Sexualneurastheniker" gescholten hat.
Tatsächlich aber hatte Padre Alfonso unzählige Katholiken von moralischer Überforderung, Prüderie und Gewissensqualen befreit. Eine einflussreiche religiöse Strömung zu seiner Zeit hatte gepredigt, dass jede Zärtlichkeit, jede erotische Berührung und Regung eine Todsünde sei, sofern sie nicht direkt der Zeugung dienen soll. Alfons widersprach: Wer sexuelle Lust sucht und empfindet und dabei nicht ausdrücklich "verhüten" will, sündige ebenso wenig wie jemand, der mit Lust eine gute Speise genießt, die natürlich auch der Nahrung dient.
Aus heutiger Sicht ist Don Alfonsos Morallehre altmodisch und streng. Aber einen Spalt breit öffnete er zu seiner Zeit schon das Ohr dafür, dass gute Sexualität die Sprache der Liebe ist.