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Gottesmomente per Handy

Wort zum Tage, 01.08.2024

Andreas Brauns, Schellerten

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Wie viele Fotos werden weltweit wohl täglich mit Handys gemacht? Millionen – oder sogar Milliarden?  Es ist eine Art Reflexhandlung: Wenn es besonders schön ist, dann möchte ich den Moment festhalten. Also ziehe ich schnell das Handy raus, mache ein Bild. Und manchmal staune ich im Nachhinein, was die kleine Kamera festgehalten hat. Da sind tatsächlich einzelne Wassertropfen am Brunnen zu sehen, oder das flirrende Sonnenlicht, das durch die Äste der alten Eiche bricht. Faszinierende Momente.

Jetzt hat bei uns ein Pfarrer dazu aufgerufen, ganz besondere Momente mit der Kamera festzuhalten: "Gottesmomente", wie er sie nennt. Und er bittet darum, ihm diese Momentaufnahmen zu schicken. Es gibt keinen Leitfaden, was auf den Bildern zu sehen sein soll. Nein, es geht für alle, die fotografieren, darum, ihren Gottesmoment im Bild festzuhalten. Nun könnte man sagen: Damit sind der Fantasie und der Fülle der Bilder keine Grenzen gesetzt. Das mag sein. Aber geht es nicht vielmehr darum, aufmerksam zu sein und genau hinzuschauen? Um nicht den Moment zu verpassen, an dem das Göttliche womöglich unerwartet aufblitzt und sichtbar wird? Ich bin mir sicher: Gott hat viele Gesichter, und er zeigt sich viel öfter, als ich ahne.

Manchmal, wenn ich einen besonderen Moment in der Natur festhalten möchte, weil das Sonnenlicht gerade so wunderbar hinter den dicken Wolken hervorkommt, da bin so damit beschäftigt, den richtigen Bildausschnitt zu wählen, dass ich das Entscheidende fast verpasse: Wie das Licht von Sekunde zu Sekunde mehr wird und die Farben des Himmels verändert. Das ist ein grandioses Schauspiel. Und ich würde das Bild vermutlich dem Pfarrer schicken, der "Gottesmomente" sammelt. Aber für "Gottesmomente" muss ich nicht unbedingt nach oben schauen. Ein besonderer Moment ist auch, wenn ein alter Mensch die Hand seiner noch ganz kleinen Enkelin in seine Hand legt. Was ist das für ein "Gottesmoment": Die vom Wetter gegerbte runzlige Haut und darauf die zarten und hellen Finger des Babys. Ein "Gottesmoment" ist es für mich aber auch, wenn ich an der Kasse im Supermarkt sehe, wie sich im Gesicht einer älteren Frau, die offenbar kein Wort Deutsch versteht, aus einem hilflosen Blick ein Lächeln entwickelt. Weil die junge Frau, die hinter ihr an der Kasse steht, ihr spontan hilft, ihren Einkauf auf das Band zu packen.

Wahrscheinlich haben Sie auch schon ganz besondere Momente mit der Kamera festgehalten. Vermutlich sogar "Gottesmomente", in denen etwas Überraschendes aufblitzt oder etwas besonders Schönes, worüber Sie gestaunt haben.

Und genau das macht für mich Momente zu "Gottesmomenten". Wenn ich staune, sehe oder erlebe ich mehr, als ich erwartet habe. Es ist an mir, aufmerksam zu sein.      

Über den Autor Andreas Brauns

Andreas Brauns wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Nach dem Theologiestudium in Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau absolvierte er seinen Zivildienst in Hannover. Während dieser Zeit gab es erste Kontakte zur kirchlichen Rundfunkarbeit. Seit 1995 arbeitet er als Redakteur im "Katholischen Rundfunkreferat für den NDR". Zudem arbeitet er seit einigen Jahren auch als Beauftragter für Funk- und Fernsehen im Bistum Hildesheim. Ein Wort des Apostels Paulus im Römerbrief begleitete ihn seit dem Studium: "Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?"

Kontakt: andreas.brauns@bistum-hildesheim.de