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Gezügelte Freiheit

Wort zum Tage, 02.02.2023

Andreas Hauber, Ellwangen

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Gestern ist mir ein kaum zu übersehendes und noch weniger zu überhörendes Auto an der Ampel aufgefallen. Der Fahrer hatte die Scheibe heruntergelassen und laute Musik wummerte heraus. Immer wieder hat er den Motor hochgejagt, so als würde er wie ein wilder Stier mit den Hufen scharren. Schließlich ist die Ampel auf Grün gesprungen und er ist dröhnend davon gedonnert. Da ist mir erst der Aufkleber über seinem Rennauspuff aufgefallen. „Fuck you Greta“ stand darauf.

Damit ist natürlich Greta Thunberg gemeint, die Initiatorin der Klimaschutzbewegung „Fridays for future“, die seit 4 Jahren versucht den Klimaschutz voranzubringen und den Finger immer wieder in die Wunde legt. Greta Thunberg steht für eine bescheidene, Ressourcen schonende Lebensweise. Sie sieht grenzenlosen Konsum und ewiges Wachstum kritisch, prangert den rücksichtslosen Umgang mit der Natur an, warnt eindringlich vor der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Sie sagt, wir müssen unser Leben ändern, bescheidener, demütiger werden. Weniger ist mehr, könnte man sagen.

Ich kenne den Fahrer des beschriebenen Wagens an der Ampel nicht, aber der Aufkleber legt nahe, dass er den Ansichten Greta Thunbergs nicht zustimmt. Als ich dann dem Auto hinterhergeschaut habe, musste ich über die Freiheit nachdenken. Das Auto steht für mich für ein bestimmtes Verständnis von Freiheit, das viel mit dem Ego zu tun hat. Eine persönliche Freiheit, die über allem steht. Eine Freiheit, die ganz empfindlich reagiert, wenn sie beschnitten werden könnte. Ich finde: diese Form der Freiheit ist in den letzten Jahren hierzulande stärker zu Tage getreten. Es ist eine rücksichtslose Freiheit. Wenn sie sich bedroht fühlt, reagiert sie mit Trotz.

Will man ihr einen Mundschutz aufsetzen, dann wird sie wütend und behauptet, in einer Diktatur zu leben. Bittet man sie, etwas Energie zu sparen, dann heizt sie die Sauna und den Pool hoch. Soll sie aufs Klima achten, dann gibt sie Vollgas und klebt provokante Aufkleber über den Auspuff. Es ist eine völlig enthemmte Freiheit. Ich würde sie eher Willkür nennen: Egal was ist, Hauptsache ich kann machen, was ich will.

Wer Freiheit so versteht, hat Freiheit nicht verstanden. Meine Freiheit ist nur etwas wert, wenn sie nicht die Freiheit eines anderen beschneidet. Darum darf ich mich nicht in einem Freiheitsexzess verlieren sondern muss mich selbst zurücknehmen. Mich mäßigen. Es ist notwendig, der eigenen Freiheit Zügel anzulegen, um wirklich Freiheit zu schaffen. Denn nur weil ich die Möglichkeit habe etwas zu tun, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch tun muss.

Über den Autor Andreas Hauber

Es ist eine große Herausforderung über Gott zu sprechen. Ich denke, dass man ihn mit Worten nicht fassen kann, dass alle Begriffe abrutschen und ihr Ziel letztlich verfehlen. Sprechen über Gott kann nur eine Annäherung sein. Das versuche ich auch mit meinen Beiträgen: Mich ihm anzunähern. Ich speise meine Texte aus meinem Leben, aus dem was mir begegnet und was mich umtreibt. Das setze ich in Beziehung zu meinem Glauben.

Ich war immer neugierig, wollte immer so viele Facetten des Lebens wie möglich kennenlernen. Vielleicht ist das an meinem beruflichen Werdegang abzulesen. Ich bin gelernter Krankenpfleger, habe Theologie und Philosophie studiert, war 5 Jahre auf einer Berghütte, dann in der Flüchtlingsarbeit tätig, dann Betreuer für einen jungen Mann mit Handicap und noch manches mehr, derzeit arbeite ich auf dem Bau. Ich lebe wieder in Ellwangen, wo ich 1980 auch geboren wurde.