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Lieben lernen, wie er dich liebt

Wort zum Tage, 02.07.2025

Pfarrer Jürgen Wolff, Zeitz

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Ein neues Gebot gebe ich Euch: Liebt einander! So lässt der Evangelist Johannes Jesus im Abendmahlssaal sagen und nutzt für das Wort NEU nicht das gängige griechische Adjektiv neos, sondern das Adjektiv kainos. Kainos – das bedeutet: Etwas ist geradezu revolutionär, noch nie dagewesen. Es ist ungewöhnlich, unerhört, überraschend neu. Doch, was soll schon neu sein an dieser LIEBE, die Jesus da propagiert? Von Nächsten-, sogar von Feindesliebe war bei Jesus schon oft genug die Rede. NEU ist diese Liebe nun wirklich nicht.

Doch Jesus selbst gibt die Antwort: Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. DAS ist tatsächlich noch nie dagewesen. DAS hat einen NEUEN Ausgangspunkt: Unser Geliebt-Sein. Wir müssen also die Liebe nicht aus uns selbst hervorbringen. Sie entspringt der Liebe, mit der wir schon geliebt sind. Christsein ist deshalb kein krampfiges Nett-Sein, es ist ein Weiterfließen-Lassen der Güte Gottes von innen nach außen – durch uns in die Welt.

Dieser Liebesfluss setzt dabei jedoch zwei Dinge voraus: Wir sollen bewusst und wachsam leben, um die Spuren der Liebe Gottes in unserem eigenen Leben überhaupt erst wahrzunehmen. UND wir brauchen die Bereitschaft, zu den negativen Selbstbildern zu stehen, die uns so oft hindern, uns als geliebte Kinder Gottes zu begreifen. Doch das ist erst der Anfang. Wie ich euch geliebt habe, bedeutet auch, sich der Frage zuzuwenden: Wie hat Jesus uns denn geliebt? Und was auf den ersten Blick banal klingt, offenbart auf den zweiten eine jahrtausendealte Engführung. Sie besteht darin, dass Jesu Geburt und Tod so sehr in den Vordergrund rückten, dass sein warmherziges, unkonventionelles, erlösendes Leben in den Hintergrund geriet.

Die Wirkung ist fatal. So entstand ein Christ-Sein, das sich darin erschöpfte, die Gnade seiner Geburt oder das Erlösungswerk seines Todes und der Auferstehung, passiv zu konsumieren. Im Ergebnis wurden so aus Nachfolgenden, Gläubige, die Jesus anstaunen oder anbeten. Das ist aber nicht das, was Jesus wollte. Lieben "wie ich euch geliebt habe", heißt: einzutreten in seine Art zu leben, in seine Weite, seinen Schwung, in sein Gottvertrauen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Über den Autor Pfarrer Jürgen Wolff

Pfarrer Dr. Jürgen A. Wolff wurde 1971 in Birkesdorf/Düren geboren. Nach seiner Ausbildung in Deutschland und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in England hat er über zwanzig Jahre im In- und Ausland in der Finanzbranche gearbeitet; davon die meiste Zeit in China. Im Rahmen seiner Promotion in England entschied er sich, Theologie zu studieren und seiner Berufung zu folgen, Priester zu werden. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums in Erfurt begann er 2018 seine pastorale Ausbildung im Bistum Magdeburg, 2020 folgte die Priesterweihe. Permanent Horizonte zu erweitern, ist sein Bestreben; Energie und neue Anstöße findet Pfarrer Wolff durch die Literatur und in der klassischen Musik – besonders in den Werken Händels! Seit 2023 ist er Pfarrer in Zeitz.