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Appetit macht Laune

Wort zum Tage, 02.08.2023

Pfarrer Hans-Peter Weigel, Nürnberg

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Ein lauer Sommerabend beim Italiener im Gastgarten. Die beiden Ehepaare am Nebentisch unterhalten sich angeregt. Die Getränke stehen schon vor ihnen, nun bestellen sie die Speisen. Einer der Männer macht ein böses Gesicht, gibt sich patzig. Wenn er sich ins Gespräch einmischt, mault und schimpft er. Der Kellner serviert das Essen. Der Grimmige wickelt seine Spaghetti um die Gabel, mit dem Essen kommt ihm sichtlich der Appetit, es schmeckt ihm. Sein Gesicht hellt sich immer mehr auf. Wenn er jetzt etwas sagt, klingt es richtig freundlich.

Hunger kann aggressiv machen. Wenn wir von einer Arbeit besessen sind und unter Strom stehen, spüren wir oft den Hunger nicht. Oder wir merken zwar den Hunger, wollen aber noch eine Arbeit zu Ende bringen und dann essen. Zur Belohnung sozusagen. Oder wir lassen dann und wann bewusst eine Mahlzeit aus – unserm Idealgewicht zuliebe. Nichts gegen das Fasten. Wer es mit Maß und Überlegung tut, tut sich etwas Gutes. Essen kann ja gar nicht stets den ersten Platz einnehmen: Wenn Alarm ist, müssen die Feuerwehrleute die Brotzeit halt stehen lassen. Und wer einen Funken Anstand hat, kann noch so hungrig sein, aber macht sich als Gast nicht über die Suppe her, die vor ihm dampft, sondern wartet, bis auch die andern am Tisch bedient sind.

Speis und Trank sind nicht nur Betriebsstoff für die Körperfunktionen. Miteinander Essen und Trinken – das stiftet Gemeinschaft, es entspannt, es stimmt versöhnlich – wie an diesem Abend den Grantler am Nebentisch. Nicht nur satt machen soll es. Es soll schmecken. Ein Genuss soll es sein.

Manche tief gläubige Menschen scheuen sich vor dem Genießen. Weisen sie damit nicht zurück, was doch Gott den Menschen gönnt? Im Psalm 104 betet der fromme Dichter: "Gott schenkt Wein, der das Herz des Menschen erfreut; Öl, mit dem er sein Gesicht pflegt; und Brot, das sein Herz stärkt." [1]

Der Philosoph Arno Plack schrieb in seinem Buch über "Die Gesellschaft und das Böse": "Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar." Da lockt er nicht zum Sternekoch. Auch einfache Kost kann man genießen. In angenehmer Umgebung. In Ruhe. Mit lieben Tischgenossen…  Was und wann und wie wir essen und trinken, tut nicht nur dem Magen gut, sondern dem Herzen, so der Psalm.

Dem Grantler beim Italiener hat das Speisen gute Laune gemacht. Auch wenn es nur Spaghetti waren.


[1] Ps. 104, 15. Übersetzung aus der Neuen Genfer Übersetzung. Lausanne: Genfer Bibelgesellschaft 2015.

Über den Autor Pfarrer Hans-Peter Weigel

Hans-Peter Weigel begann das Theologiestudium in Bamberg und schloss es (als Zeitgenosse der "68er") in Tübingen ab. 1973 wurde er zum Priester für das Erzbistum Bamberg geweiht. Nach der Kaplanszeit schickte ihn der Bischof als Religionslehrer an ein humanistisches Gymnasium in Nürnberg und nebenamtlich erst in die Jugendseelsorge, dann in die Familienseelsorge. Nebenbei schrieb er als Autor für das "College-Radio" im Bayerischen Rundfunk. 2003 bis 2018 war er Künstlerseelsorger und Radio-Beauftragter im Erzbistum Bamberg. Radiosendungen gestaltet er weiterhin, und übernimmt Liturgie- und Predigtdienst in verschiedenen Gemeinden.

Kontakt: hp.weigel@t-online.de