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Mal den Engel an die Wand

Wort zum Tage, 02.12.2024

Peter Kloss-Nelson, Berlin

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Adventszeit ist Engelszeit. Wer weiß wie viele Engel in der verbleibenden Zeit bis Weihnachten noch gebastelt und verschenkt werden. Engel gehen schließlich immer und für jede und jeden. Sie stehen – ganz abgesehen von ihrer religiösen Bedeutung – irgendwie immer für Schutz und Behütetsein, also für einen universalen Wunsch.

Das wird mir auch im Alltag immer mehr bewusst, denn meine zweitälteste Tochter hat das Zeug zur Unheilsprophetin. Wenn sie wittert, dass etwas schief gehen könnte, malt sie es sich und anderen gerne bis ins Detail aus und steigert damit nicht gerade den Optimismus und die gute Laune. Der Volksmund nennt das bekanntermaßen: "den Teufel an die Wand malen".

Ihre jüngere Schwester reagierte angesichts einer erneuten Unheils-Erwartung neulich mit der Frage: "Warum malst Du eigentlich nicht mal den Engel an die Wand?" – Diese Idee fand ich nicht nur verblüffend, sondern spontan auch sehr inspirierend.

Warum nicht mal – statt übertrieben die eigenen Befürchtungen zu verbreiten – bewusst einen glücklichen Ausgang oder den mit Sicherheit eintretenden Erfolg ausmalen? Warum nicht mal bewusst mit Heerscharen von Schutzengeln rechnen und das Gute erwarten?

Möglicherweise wirkt das auf so manchen Zeitgenossen naiv. Fährt man nicht besser mit der Einstellung: "Das Schlimmste erwarten und das Beste hoffen" – schon allein um Enttäuschungen zu vermeiden? – Schließlich leben wir in Zeiten, in denen die Risikoanalysten immer stärker gefragt und ihr Urteil vor wichtigen Entscheidungen nicht mehr wegzudenken sind.

Was wäre wohl geschehen, wenn Maria den Engel, als er ihr die Ankunft des Gottessohnes durch sie verkündet hat, erst einmal gebeten hätte, die mit diesem Abenteuer verbundenen Risiken aufzulisten und zu bewerten, statt ihr spontanes "Ja, mir geschehe nach Deinem Wort" zu sagen?

Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass ich die wirklich tragweiten Entscheidungen nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen treffe. – Wer sich von einer allumfassenden Liebe getragen und beschützt weiß, der kann nicht wirklich scheitern oder von seinen Ängsten überwältigt werden. Für den leuchtet das Gute, das geschieht oder geschehen kann, heller als es jede ängstliche Befürchtung eintrüben kann.

Die verspielten Lichter in den adventlich geschmückten Straßen und Häusern werden mich daran erinnern.

Über den Autor Peter Kloss-Nelson

Peter Kloss wurde 1961 in Berlin geboren und begann 1990 seine Tätigkeit als Pastoralreferent zunächst im Bezirk Wedding. Spätere Einsätze folgten in Reinickendorf, in der Geschäftsstelle des ersten ökumenischen Kirchentags 2003, in der Begleitung von Veränderungsprozessen als Gemeindeberater und als Referent für Pastoral- und Gemeindeentwicklung im Dezernat Seelsorge des Erzbischöflichen Ordinariats Berlin. Heute ist er im Personaldezernat Referent für Einsatzplanung und -begleitung von pastoralem Personal.

Kontakt: peter.kloss@erzbistumberlin.de