Im Religionsunterricht erfahre ich immer wieder, dass Kinder oft die besseren Theologen sind! Dass sie oft auch die besseren Erwachsenen sind, das habe ich erst kürzlich wieder erfahren dürfen.
Da, im Religionsunterricht der sechsten Klasse sprechen wir gerade über die Schöpfung! Wir sprechen darüber, dass die Erschaffung der Welt, wie sie in der Bibel beschrieben wird, als ein Sprechakt zu betrachten ist: Gott spricht ein Wort aus, und dadurch wird das Wort zur Sache.
Wir sprechen darüber, dass Gott, anders als in anderen altorientalischen Schöpfungsmythen, keine vorgefundene Materie formen musste, um das zu gestalten, was wir Schöpfung nennen. Wir sprechen darüber, dass Gott seine Schöpfung und die Geschöpfe nicht aus einer Notwendigkeit heraus geschaffen hat, sondern sie in vollkommener Freiheit gestalten konnte. Wir sprechen darüber, dass Gott seine Kraft in einfache Anfänge hineingeatmet hat und dass diese einfachen Anfänge seitdem endlos schöne und grenzenlos wundervolle Formen entwickelt haben – so wie es der britische Naturforscher Charles Darwin im Vorwort zu seinem Hauptwerk: Über die Entstehung der Arten dem geneigten Leser damals wie heute auch darstellt.
Die Schülerinnen und Schüler brauchten jedoch viel weniger Worte, um dieses Wunder der grenzenlosen, schöpferischen Vielfalt zu beschreiben, und sie gebrauchten schon recht nicht solche wolkigen! Sie malten mir Bilder – bunte, von unterschiedlichen Tieren und Pflanzen nur so wimmelnde Darstellungen; und ganz traditionell, wie es die Bibel, im Alten Testament, in der Genesis schildert: Zwei Menschen!
Doch ein Bild war anders; vor allem aber zeigte es ein besonders auffälliges, unerwartetes Detail! Da, in diesem Bild, tummelten sich VIELE Menschen – unterschiedlich in Größe, Geschlecht, Hautfarbe, Alter! Und auf meine Frage hin, warum denn nicht nur Adam und Eva zu sehen seien, erwiderte mir der Schüler – als wäre nichts erwartbarer, selbstverständlicher in der Welt:
"Adam und Eva waren am Anfang! Aber Gott hat sich bei seiner Schöpfung etwas gedacht und ich zeichne, was ER gerne hätte!" Und auf meine Frage hin, was das denn sei, erhielt ich die verblüffend einfache Antwort: "VIELFALT! Schöpfung ist VIELFALT! VIELFALT ist Schöpfung und beides ist GUT! Steht doch da, in der Bibel, ganz am Anfang!"
Da war ich sprachlos und fühlte mich – als erwachsener Mensch von heute – ertappt!