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Gedenktage

Wort zum Tage, 03.07.2024

Andreas Hauber, Ellwangen

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Am 3. Juli 1971 ist Jim Morrison gestorben, der Sänger der Band "The Doors". Außerdem ist es der Geburtstag von Clara Stahlberg, einer aufrechten Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, die 1890 geboren wurde. Und natürlich ist im Jahr 1883 am dritten Juli Franz Kafka geboren, der große Schriftsteller, der wegen seines 100. Todestages dieses Jahr in aller Munde ist.

Aber der 3. Juli ist auch der Todestag von Leo Strecker. Er liegt in einem Familiengrab, in das er 1956 gelegt wurde. Er war der Großvater einer jungen Frau, die ich auf einem Friedhof getroffen habe. Seine einzige Nachfahrin. Ihm wurde gegen Ende des Krieges, seine Enkelin wusste nicht wo, ein Bein abgeschossen. Zuvor war er schon zweimal verwundet und einmal verschüttet worden. Bis zum Verlust seines Beines hat er den ganzen Krieg mitgemacht. Fünf Jahre lang. Er ist als vollkommen verstörter Mensch daraus zurückgekommen, hat sie mir erzählt. So hat sie es in den Tagebüchern ihrer Großmutter gelesen. Er war eigentlich nicht lebensfähig, lebte aber dennoch. Kämpfte gegen die körperlichen Schmerzen und gegen die seelischen. Die Alpträume, die Erinnerungen, die Ängste. Aber er hat nie aufgegeben und es tatsächlich geschafft für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen. "Mit übermenschlicher Kraft", so hat seine Enkelin ihre Großmutter zitiert.

1956, gerade als alles in guten Bahnen lief, es der Familie gut ging und die Zukunft nicht mehr ein unklares, verworrenes Scheinbild war, sondern etwas Hoffnungsvolles, ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Außer seiner Enkelin erinnert sich niemand mehr an Leo Strecker. Und genauso wenig an die Mehrheit der Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit gestanden haben, die keine berühmten Songs gesungen oder herausragende Bücher verfasst haben. Die auf all den Friedhöfen liegen und mehr und mehr vergessen werden. Deren Gräber irgendwann aufgelassen werden. Oder die in irgendwelchen Massengräbern liegen, verscharrt und vergessen. Keiner weiß wo.

Wir gedenken üblicherweise der berühmten und sichtbaren Menschen. Oft zurecht. Es handelt sich oft um Menschen, die wirklich Großes geleistet haben. Aber ich denke, diese berühmten Personen sind nur Stellvertreter. Hinter ihnen stehen all die, die vergessen sind. Und all die haben nicht unbedingt weniger geleistet, sind aber im Verborgenen geblieben. Ich finde es wichtig, sich bewusst zu machen, dass es an Gedenktagen nicht nur um die geht, die im Vordergrund stehen, sondern dass man auch der stummen Masse, der vielen unbekannten Personen dahinter gedenkt.

Über den Autor Andreas Hauber

Es ist eine große Herausforderung über Gott zu sprechen. Ich denke, dass man ihn mit Worten nicht fassen kann, dass alle Begriffe abrutschen und ihr Ziel letztlich verfehlen. Sprechen über Gott kann nur eine Annäherung sein. Das versuche ich auch mit meinen Beiträgen: Mich ihm anzunähern. Ich speise meine Texte aus meinem Leben, aus dem was mir begegnet und was mich umtreibt. Das setze ich in Beziehung zu meinem Glauben. Ich war immer neugierig, wollte immer so viele Facetten des Lebens wie möglich kennenlernen. Vielleicht ist das an meinem beruflichen Werdegang abzulesen. Ich bin gelernter Krankenpfleger, habe Theologie und Philosophie studiert, war 5 Jahre auf einer Berghütte, dann in der Flüchtlingsarbeit tätig, dann Betreuer für einen jungen Mann mit Handicap und noch manches mehr, derzeit arbeite ich auf dem Bau. Ich lebe wieder in Ellwangen, wo ich 1980 auch geboren wurde.