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Lydia

Wort zum Tage, 03.08.2023

Pfarrer Hans-Peter Weigel, Nürnberg

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Im Diözesanmuseum neben dem Bamberger Dom zeigen zwölf Künstlerinnen derzeit die Ausstellung "Frauen. Taten. Werke". In Gemälden, Skulpturen und Installationen porträtieren sie zwölf Frauen, die das Wirken der Kirche geprägt haben, aber meist wenig gewürdigt wurden. Grund für die Missachtung: "Das traditionell patriarchale System der Kirche", meinen Birgit Kastner und Carola Schmidt vom Museum, die die Ausstellung eingerichtet haben.

Zu den vergessenen und verdrängten Frauen der Christenheit gehört auch Lydia, obwohl sie in der orthodoxen Kirche sogar als eine "Apostelgleiche" verehrt wird. Heute hat Lydia ihr Heiligenfest. Sie hat mit einer entscheidenden Weichenstellung in der Kirche zu tun: Im Jahr 52 nahmen Paulus und sein Begleiter Silas ein Schiff vom asiatischen Ufer des Bosporus nach Nord-Griechenland. Auch in Europa wollten sie Christus und sein Evangelium bekanntmachen.

Die beiden zogen nach Philippi, einer römisch geprägten Stadt. Am Stadtrand trafen sie auf eine Gebetsstätte der jüdischen Gemeinde. Dort hatte sich eine Gruppe von Frauen eingefunden, unter ihnen Lydia, eine Kauffrau, die eine Handlung mit den teuren Purpurfarben betrieb. Lydia war keine Jüdin, fühlte sich aber zum jüdischen Glauben an den einen Gott hingezogen. Paulus und Silas suchten das Gespräch mit den Frauen und erzählten von ihrem Glauben an Jesus.

"Der Herr öffnete Lydia das Herz", so berichtet das Neue Testament in der Apostelgeschichte. Lydia ließ sich taufen – als erste Europäerin. Mitglieder ihrer Familie und der Firma schlossen sich an. So entstand die erste christliche Gemeinde in Europa. Sie versammelte sich in Lydias Haus, dort wurde gepredigt, gebetet, Gemeinschaft gepflegt. Lydia war Sponsorin, Sprecherin und Seele der Kirche von Philippi; die Hirtin, um es in der bildhaften Sprache der Bibel zu sagen.

Ob Lydia eine Art Bischöfin oder Pfarrerin war, lässt sich aus dem Neuen Testament nicht erschließen; diese Ämter im heutigen Sinne gab es in der damaligen Kirche ja noch nicht. Das Beispiel von Lydia zeigt aber: Frauen spielten eine herausragende Rolle bei der Entstehung und im Leben der früh- christlichen Gemeinden. Paulus bezeugt das deutlich in seinen Briefen.

Die Ausstellung "Frauen. Taten. Werke" in Bamberg geht im Oktober zu Ende. Was bleibt, ist der Auftrag, den Frauen in der Kirche die gebührende Stellung zu geben.

Über den Autor Pfarrer Hans-Peter Weigel

Hans-Peter Weigel begann das Theologiestudium in Bamberg und schloss es (als Zeitgenosse der "68er") in Tübingen ab. 1973 wurde er zum Priester für das Erzbistum Bamberg geweiht. Nach der Kaplanszeit schickte ihn der Bischof als Religionslehrer an ein humanistisches Gymnasium in Nürnberg und nebenamtlich erst in die Jugendseelsorge, dann in die Familienseelsorge. Nebenbei schrieb er als Autor für das "College-Radio" im Bayerischen Rundfunk. 2003 bis 2018 war er Künstlerseelsorger und Radio-Beauftragter im Erzbistum Bamberg. Radiosendungen gestaltet er weiterhin, und übernimmt Liturgie- und Predigtdienst in verschiedenen Gemeinden.

Kontakt: hp.weigel@t-online.de